Homosexualität am Arbeitsplatz: „Es geht darum, nicht lügen zu müssen“
Unternehmen, denen Homosexuelle willkommen sind, arbeiten produktiver, glaubt Unternehmensberater Bernd Schachtsiek. Der Mittelstand habe dies noch nicht erkannt.
taz: Herr Schachtsiek, sind Sie eigentlich ein Homolobbyist?
Bernd Schachtsiek: Ja natürlich. Man muss für die Rechte der Homosexuellen am Arbeitsplatz kämpfen.
Aber die Gesellschaft ist doch tolerant gegen Schwulen und Lesben. Warum braucht es da einen Verein wie den Völklinger Kreis?
Politisch ist die Gleichstellung vorangeschritten, ja. Und auch gesellschaftlich. In den Unternehmen aber sieht das völlig anders aus. Während bei großen Unternehmen Diversity bereits großgeschrieben wird und auch die sexuelle Identität gefördert und unterstützt wird, spielt das Thema im Mittelstand keine Rolle. Da wollen wir aufklären und Problembewusstsein schaffen.
Warum spielt das Thema im Mittelstand bisher kaum eine Rolle?
Da wird die Gruppe der Homosexuellen nicht so wahrgenommen. Zudem besteht oft auch eine Scheu, weil sexuelle Identität immer auch eine Verbindung zur Sexualität hat. Das ist natürlich Quatsch. Es geht darum, dass die Mitarbeiter am Montagmorgen keine Legenden vom Wochenende erfinden müssen, weil sie Angst vor Benachteiligung haben. Dass sie nicht lügen müssen, wenn sie mit ihrem gleichgeschlechtlichen Partner im Urlaub waren. Die Annahme, das sei Privatsache, ist falsch. Das Privatleben spielt auch am Arbeitsplatz, bei den sozialen Kontakten, immer eine Rolle.
62, ist Unternehmensberater und Vorstand der Wiesbadener Agentur Atkon. Er leitet den Völklinger Kreis, den Bundesverband für schwule Führungskräfte.
„Diversity Management“ hört sich oft wie ein bloßes Schlagwort an. Was kann man sich darunter im Bereich der sexuellen Identität vorstellen?
Es geht darum, dass die Unternehmen von oben nach unten signalisieren, dass sie für die Vielfalt im Hause offen sind. Dass homosexuelle Mitarbeiter willkommen sind und entsprechend behandelt werden. Dass Homophobie am Arbeitsplatz verhindert wird. Und dass man den Zusammenhalt der Homosexuellen im Betrieb fördert, ihre Netzwerke unterstützt, Weiterbildung anbietet.
Können Sie Schwulen und Lesben raten, sich am Arbeitsplatz zu outen?
Das hängt stark vom Betriebsklima ab. Grundsätzlich ist die Umgebung oft viel aufgeschlossener, als der Einzelne glaubt. Die Angst ist meist größer als das, was wirklich passiert.
Überwiegen die positiven oder die negativen Folgen nach einem Outing am Arbeitsplatz?
Die positiven. Wichtig ist, dass man sich selbst sicher fühlt in seiner Sexualität und sich nicht in eine Opferrolle begibt. Man muss selbstbewusst sein. Denn es gibt natürlich Anfeindungen und Anspielungen. Da kann man auch drüber lächeln oder schlagfertig reagieren. Und dann ist irgendwann auch Ruhe.
Welche Vorteile haben Unternehmen, wenn sie ein homofreundliches Umfeld schaffen?
Es geht immer Energie verloren, wenn man sich nicht outet. Weil man versucht, sich zu tarnen. Zudem ist die Identifikation mit dem Unternehmen stärker, wenn man sein kann, wie man will. Studien zeigen, dass divers zusammengestellte Teams viel kreativer und produktiver sind. Je homofreundlicher ein Unternehmen, desto erfolgreicher ist es.
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