Hoffnungsträger: Jacobs University im Jugendwahn
Heinz-Otto Peitgen, die neue Hoffnung der Jacobs University, ist 67 und Gründer einer Firma, die gerade vor dem Untergang gerettet werden muss. So wie die Privatuni
Zumindest nicht ausgeschlossen hat die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert gestern weitere staatliche Zuschüsse an die Jacobs Universität (JUB). „Verhandlungen über etwaige Zuschüsse aus dem Haushalt wären aber Sache des Gesamtsenats“, heißt es aus dem Finanzressort. Es sei jedoch bislang „keine Entscheidung“ gefallen. Heinz-Otto Peitgen, der soeben neu gewählte Präsident, äußerte sich jüngst im Weser-Kurier „zuversichtlich“, dass die JUB weitere staatliche Mittel bekommt.
Privatuni wäre die JUB dann nicht mehr, stellte Linnert klar: „Falls sich ein dauerhafter Bedarf an staatlicher Finanzierung ergeben sollte, wäre ein Teil der Gründungsidee nicht eingelöst worden.“ Dass das nicht gelingen würde, hatten zuvor andere schon prophezeit. „Universitäten sind in Deutschland nur mit privatem Geld nicht überlebensfähig“, hatte Bernd Kümmel, Präsident der Bremer Apollon-Hochschule für Gesundheitswirtschaft und ehemals Vizepräsident der privaten Uni Witten/Herdecke kürzlich dem Weser-Kurier gesagt. Und auch Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel sagt: „Es liegt auf der Hand“, dass die Idee, die JUB mit Sponsoren-Geldern zu finanzieren, „gescheitert“ ist. Peitgen indes nannte die JUB im Interview ein „Bildungsexperiment“, dass „gewaltig“, aber „geglückt“ sei. Mit der taz wollte er vor seinem Amtsantritt 2013 nicht sprechen.
Der 67-jährige Mathematiker und Professor an der Uni Bremen ist unwesentlich jünger als Noch-Amtsinhaber Joachim Treusch (71). Bei seiner Wahl wurde er von den Aufsichtsräten der JUB mit überschwänglichen Worten für „wissenschaftliche Exzellenz“ und erfolgreiches Unternehmertum gerühmt.
Bekannt wurde Peitgen einst als Chaosforscher, mit Computerbildern vom Apfelmännchen und anderen Abkömmlingen der „fraktalen Mathematik“. Wissenschaftlich sind sie, wie der Spiegel schrieb, „eher belanglos“, doch viele Medien feierten ihn.
1997 gründete er die Mevis-Gruppe, die sich selbst als „ein weltweit führendes Softwareunternehmen der bildbasierten Medizin“ lobt und 2007 an die Börse ging. Geld verdient sie vor allem mit der Brustkrebsdiagnose. Der Einstiegskurs der Aktie von 55 Euro fiel bis Ende letzten Jahres auf einen Tiefstand von 2,54 Euro. Derzeit wird sie bei knapp sechs Euro gehandelt.
Auf der gestrigen Hauptversammlung von Mevis war davon die Rede, dass die Firma auf eine „neue Basis“ gestellt werden muss, die US-Tochter, 2007 gegründet, wird gerade abgewickelt. Seit 2009 wurden über 40 der damals 186 Stellen gestrichen. Die Bilanzsumme, die vor vier Jahren noch bei fast 60 Millionen Euro gelegen hatte, fiel auf zuletzt unter 33 Millionen. Peitgen ist heute Aufsichtsratschef der Firma, an der er fast 20 Prozent der Anteile hält.
Die finanzielle Lage ist nach Peitgens eigenem Bekunden nicht seine größte Sorge, schließlich hätten alle Unis weltweit finanzielle Sorgen. 2008 und 2009 schloss die Uni mit Verlusten von etwa 25 Millionen Euro ab, Bremen gab in den letzten fünf Jahren je fünf Millionen Euro, zudem eine Bürgschaft von 50 Millionen, die Ende letzten Jahres hätte abgelöst werden sollen. 2009 hatte die JUB ein Eigenkapital von nur 38 Millionen angespart – bei Gründung 1999 war von 250 Millionen die Rede.
Immerhin: Die Jacobs Foundation lässt ausrichten, dass sie „unverändert“ dazu steht, die JUB bis zum Jahr 2017 mit 200 Millionen Euro zu fördern. Das zuletzt 2010 geänderte Finanzierungsmodell sieht dabei eine „teilweise Erhöhung der jährlichen Auszahlungen“, aber auch „die zeitliche Streckung“ der Förderung vor. Details nennt die Stiftung aber nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“