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Hoffnung für MS-PatientInnen

■ Krebsmedikament soll bald bei Multipler Sklerose eingesetzt werden

Göttingen Das bisher bei der Behandlung von Krebs eingesetzte Medikament Beta-Interferon soll künftig auch Patienten helfen, die an Multipler Sklerose (MS) leiden. Entsprechende gemeinsame Forschungen der Uniklinik Göttingen und des Baird-MS-Centers in Buffalo (US-Staat New York) wurden bei einer Fachtagung in Göttingen vorgestellt. Die neue Behandlungsmethode sei zur Zeit nur an großen Krankenhäusern möglich, in ein bis zwei Jahren solle sie jedoch allgemein anwendbar sein, sagte der Neurologe Peter Rieckmann von der Uniklinik Göttingen. In Deutschland leiden etwa 80.000 Menschen an MS.

Die Forschungsergebnisse könnten ein „neues Kapitel der Neurologie“ bedeuten, sagte Prof. Klaus Felgenhauer, Leiter der Göttinger Forschung. Nach seinen Vorstellungen soll in Göttingen ein Zentrum zur Behandlung von Multiple-Sklerose-Kranken entstehen. Unklar ist bisher jedoch die Finanzierung. Für diese sehr teure Therapie müßten „vernünftige politische und gesellschaftliche Vorgaben“ geschaffen werden, betonte Felgenhauer.

Multiple Sklerose, eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, befällt in der Regel junge Erwachsene und tritt schubweise auf. Erste Anzeichen sind Koordinationsschwächen, Lähmungserscheinungen und Sehstörungen. Im Verlauf der Krankheit wird der Betroffene oft zu einem hilflosen Pflegefall. Ein wesentliches Problem der Mediziner war bisher, zu erkennen, wann ein neuer Krankheitsschub droht, um dagegen mit Medikamenten vorgehen zu können.

Peter Rieckmann hat nun bei seinen Forschungen nach eigenen Angaben „vor jedem Schub einen Anstieg des TNF-Alpha-Faktors und der Adhäsionsmoleküle im Blut“ festgestellt. So werde der Zeitpunkt bestimmt, zu dem Beta-Interferon gezielt eingesetzt werden kann. Adhäsionsmoleküle dienten zur Kommunikation der körpereigenen Abwehrzellen untereinander und mit den Gefäßzellen. Der TNF-Alpha-Faktor ist ein Blutbestandteil, der die Nervenscheiden direkt zerstört.

Beta-Interferone haben nach Aussage des Göttinger Wissenschaftlers Rieckmann in der MS-Therapie den Vorteil, daß Entzündungen gezielt bekämpft werden, ohne daß das Immunsystem geschwächt wird, wie dies bei der Behandlung mit Cortison der Fall ist. Rieckmanns US-Kollege Larry Jacobs habe bei der Tagung sehr gute Erfolge mit niedrigdosiertem Interferon vorgestellt, das gentechnisch erzeugt wurde, hieß es. dpa

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