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Höchster Ruhm und früher Tod

■ Japans neuer Sumo-Gott: Der „schlanke“ Asahifuji wurde „Yokozuna“

Tokio (dpa) - Japans „Sumo-Welt“ hat seit Mittwoch wieder Grund zum Jubel: Die rund 800 Aktiven und die hundert Millionen Fans - von der Gesamtbevölkerung sind vermutlich nur die Säuglinge abzurechnen - konnten mit dem 30jährigen Asahifuji einen neuen „Yokozuna“ feiern, einen Großmeister also. Asahifuji, mit bürgerlichem Namen Seiya Suginomori, hatte die letzten beiden der jährlich sechs großen Turniere überzeugend gewonnen und damit den Anspruch auf die Beförderung in den höchsten Rang erworben, den in den letzten 300 Jahren nur sechzig „Rikishi“ (Kämpfer) erreichten.

Im tief mit dem Shinto-Glauben verwobenen Sumo-Sport ist der mit dicken Fettpolstern bepackte, weichlich wirkende Mann damit so etwas wie ein lebender Gott geworden: Er kann seinen Rang nie wieder verlieren. Beim letzten Turnier in Nagoya, bei dem er Yokozunas Chiyonofuji und Hokutoumi bezwang, hatte der für einen aktiven Spitzenkämpfer schon sehr alte Asahifuji alles auf eine Karte gesetzt: Jahrelang war er in seinem Bemühungen, zur Spitze vorzustoßen, immer wieder durch schwere Erkrankungen zurückgeworfen worden, die Resultat der erforderlichen extremen Fettleibigkeit waren.

Am selben Tag, an dem Asahifuji als neuer Großmeister die Schlagzeilen und Fernsehsendungen beherrschte, stand eine kleine Meldung in den Zeitungen, die besser als jede Warnung der Ärzte die dunkle Kehrseite dieses Nationalsports beleuchtete, an dem nicht einmal jeder hunderttausendste Japaner aktiv teilnimmt: Der Nachwuchskämpfer Chikamura, 19 Jahre alt und 161kg schwer, starb kurz nach Abschluß des Turniers in Nagoya „an plötzlichem Herzversagen“. In einem Tempel, in dem er mit seinen „Stallgefährten“ übernachtete, bekam er im Schlaf Atemschwierigkeiten, brach beim Aufstehen zusammen und erlangte das Bewußtsein nicht wieder.

Der neue Großmeister Asahifuji wurde von seinem Vater, einem Sumo-Funktionär, schon als Zehnjähriger für den Sport ausersehen und entsprechend ernährt. Als er aber Profi werden wollte, lachte sein „Stallmeister“ (Trainer) zunächst mitleidig: Mit 101kg galt der junge Mann als schlacksig, und einige Jahre wurde er zunächst nur gemästet. Dann war die Bauchspeicheldrüse kaputt, und mit Hilfe seiner Ärzte und seiner Frau nahm der Kämpfer ganz vorsichtig wieder ab jetzt wiegt er nur noch 143kg. „Seit er seine Gesundheit ruinierte, hatte er nur noch einen einzigen Gedanken Yokozuna zu werden“, sagte sein Stallmeister Oshima, der es selbst in seiner aktiven Zeit nur bis zum zweithöchsten Rang (Ozeki) brachte.

Daß man auch ohne faßweise Fett unter der schlaffen Haut ein großer Sumo-Kämpfer sein kann, hat der inzwischen 35jährige Chiyonofuji bewiesen: Mit mehr als tausend Siegen hat er mehr Gegner bezwungen als jeder andere Kämpfer in der Geschichte des Sports. Er ist ein ausgesprochener Athlet und beschränkt sein Gewicht auf gerade 126kg. In Nagoya bezwang er auch Ozeki Konishiki aus Hawai, der seine Hoffnung auf den höchsten Rang trotz seiner 239kg bisher nicht erfüllen konnte. Er kann weder die Arme an den Körper legen noch die Beine zusammenstellen, und im Alter von 26 Jahren wird er bereits von schwerer Gicht und anderen Krankheiten geplagt.

Helmut Raether

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