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Hoechst–Manager in der Hand der Hizballah?

■ Zusammenhang zwischen Entführung Cordes und Inhaftierung Hamadehs PLO: Arafat will helfen / Großer Krisenstab in Sicht / Grüne nicht informiert

Bonn/Beirut (taz) - Auch am dritten Tag nach der Entführung des Hoechst–Geschäftsführers Cordes in Beirut stand nicht fest, wer für die Tat verantwortlich ist. Inzwischen wird von der Bundesregierung aber nicht mehr bestritten, daß es einen Zusammenhang zwischen der Entführung und der Festnahme des Libanesen Ali Hamadeh in Frankfurt gibt. Im Interesse des Betroffenen, so Regierungssprecher Ost, will man darüber keine weiteren Auskünfte geben. Alerdings habe man kein „Redeverbot“ ausgesprochen. Am Dienstag wurden die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien mit Ausnahme der Grünen über den aktuellen Stand informiert. Die Bildung eines Krisenstabes unter Beteiligung der oppositionellen SPD wird nicht mehr ausgeschlossen. Die bisher nicht offi ziell begründete Ausgrenzung der Grünen bezeichnete ihre Fraktionssprecherin Borgmann als „unverständlich und skandalös“. Auch eine Meldung von RTL Plus wollte Regierungssprecher Ost nicht bestätigen. Der Fernsehsender meldete, der Hoechst–Geschäftsführer befinde sich in der Gewalt der Schiitenorganisation Hizballah (Partei Gottes). Fortsetzung auf Seite 6 Die pro–iranische Gruppierung habe sich am Sonntag abend bei Radio Beirut gemeldet und im Austausch gegen Cordes die Freilassung des inhaftierten Libanesen Hamadeh gefordert. In Beirut wurde dieser Meldung zunächst wenig Glaubwürdigkeit beigemessen, da sich die „Partei Gottes“ bisher nie zu Entführungen bekannt habe. Dafür spreche allerdings, daß die Entführung der amerikanischen TWA–Maschine nach Beirut im Juni 1985, an der Hamadeh beteiligt gewesen sein soll, den Hisballah zugeschrieben wird. Darüber hinaus ist der Bruder des inhaftierten Libanesen militärischer Befehlshaber dieser Organisation in Magdouschi, einem Christenort nahe der südlibanesischen Stadt Saida, der zwischen der Schiiten–Bewegung Amal und den Palästinensern umkämpft ist. Angehörige von Hisballah waren dort im Zuge einer iranischen Vermittlung als Puffertruppe eingesetzt worden. Unterdessen verschob Bundesaußenminister Genscher für heute vorgesehene Wahlkampftermine, um die Sitzungen des Krisenstabes im Auswärtigen Amt zu leiten. Die SPD bot ihre Unterstützung an und erinnerte an das Verhalten der Regierung Schmidt bei der Entführung von Arbeitgeberpräsident Schleyer. Der SPD–Nahost–experte Wischnewski (“Ben Wisch“) empfahl der Bundesregierung, die von den USA gewünschte Auslieferung des Libanesen hinauszuzögern, um für eine „überschaubare Zeit die volle Entscheidungsfreiheit zu behalten“. Wie die Frankfurter Staatsanwaltschaft auf Anfrage gestern erklärte, wird eine solche Auslieferung von der Bundesregierung „politisch entschieden“. Der Sprecher der PLO in Bonn, Franghi, warnte in der Bild davor. Sie käme einem Todesurteil gleich. Er riet dringend, Cordes gegen Hamadeh auszutauschen. Franghi: „Arafat wird versuchen, seine Kontakte zu nutzen.“ bs/bmm

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