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Hoechst startklar fürs Gengeschäft

■ Die Farbwerke Hoechst werden demnächst mit der Großproduktion gentechnisch manipulierter Bakterien beginnen / Dem Chemieriesen winkt die höchst gewinnträchtige Produktion von Insulin

Aus Frankfurt Ralf Volk

Der Aufzug hält im sechsten Stock direkt vor der Sicherheitsschleuse zur neuen Versuchsanlage „Fermtec“ der Farbwerke Hoechst. Hier soll demnächst Humaninsulin durch gentechnisch manipulierte Bakterien hergestellt werden. Was sich hinter der schweren Stahltüre verbirgt, erinnert an ein Schwimmbad: Duschen, Sitzbänke, Spinde und Umkleideräume. Nur der Sicherheitsschalter in den Duschen, der mit Bakterien kontaminiertes Wasser in eine eigens dafür vorgesehene Kläranlage umleiten soll, signalisiert, daß die Anlage gar nicht so harmlos ist, wie es auf den ersten Blick scheint. In dieser Anlage soll „das Lieblingstier der Gentechniker“, das Escheria–Coli–Bakterium, vermehrt werden. Zuvor haben Gen– Ingenieure im Labor dem Bakterium eine neue Information in seinen genetischen Code gebastelt. Es waren einige biotechnische Tricks nötig, bis „die Maschinerie des Einzellers zur Herstellung von Insulin angeregt werden konnte“, erzählt der Biochemiker Dietrich Brocks nicht ohne Stolz. Die Fremdinformation zur Herstellung eines humaninsulinhaltigen Proteins geben die Bakterien dann von Generation zu Generation weiter. Diese „leistungsfähige Synthesemaschine der Gentechnolgen“, so die Werbebroschüre der Farbwerke Hoechst, wird nach der Anzüchtung im Labor im oberen Stockwerk der Fermtec–Anlage in einen Minifermenter eingeimpft. Klaus Mahr, Betriebsassistent der Anlage, hält dies für die „gefähr liche Stelle“. Hier können auch ohne einen Störfall die manipulierten E.colis freigesetzt werden. „Die größte Gefahr ist aber der Mensch“, sorgt sich Mahr. Die Tierchen „sind nämlich höchst sensible Wesen. Da reicht ein Schnupfen und die ganze Brut ist hin, und damit auch ein Haufen Geld.“ „Money makes the world go round“ - heißt die Devise auch im Gengeschäft. Bisher haben die Farbwerke Hoechst ihr Humanin sulin, das zur Behandlung von einer halben Million Zuckerkranken unentbehrlich ist, aus den Bauchspeicheldrüsen deutscher Haustiere gewonnen. Nur die Ausbeute war den Hoechster Kochern zu gering. Allenfalls die Hälfte des Materialinputs kam zum Schluß wieder raus. Das soll jetzt anders werden. Wenn alles nach Plan läuft, dann läßt sich aus wenigen Reagenzgläsern von E.coli–Bakterien mit einiger Zeit der gesamte Großfermenter von 60.000 Litern füllen. Danach werden sie abgetötet, und aus der Zellmasse wird durch chemische Umwandlung ein Vorstufe des gewinnbringenden Stoffes gewonnen, aus dem dann das Humaninsulin abgespalten wird. „Sanfte Chemie“ nennt der Biochemiker die gentechnologische Großproduktion. Der Antrag auf die Bakterienbrutstätte „Fermtec“ wurde bereits Mitte 1985 genehmigt, also noch vor Wende in Hessen. Die Grünen, damals lediglich Dulder der SPD–Regierung, haben angeblich nichts davon gewußt. Rund ein Jahr später beantragte Hoechst im zweiten Schritt die erste Stufe der Aufarbeitungsanlage „Chemtec“ als Produktionsanlage. Als sich dann im Dezember 1985 die rot–grüne Koalition abzeichnete, wurde der Antrag zurückgezogen und später ein neuer Antrag für eine Versuchsanlage nachgeschoben. Bei solchen Anträgen muß die Öffentlichkeit nicht beteiligt werden. Der damalige Umweltminister Joschka Fischer lehnte ab und wies den Regierungspräsidenten an, ein förmliches immissionsschutzrechtliches Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit durchzuführen. Letzte Woche hat dann Fischer–Nachfolger Weimar signalisiert, daß die Genehmigung des Regierungspräsidenten demnächst zu erwarten sei. Brocks: „Bisher warten wir noch darauf. Aber wir sind uns sicher, daß nach der Versuchsphase auch die Produktion genehmigt wird.“ Sicherheitsbedenken hat man bei Hoechst nicht. Vorbild sind die USA mit ihren laxen Bestimmungen. Dort hat schon vor Jahren das große Geschäft begonnen, von dem die Hoechster noch träumen. Denn bisher haben sie nur draufgelegt; 70 Millionen für die erste Produktionsstufe „Fermtec“. „Wir würden das nicht tun, wenn wir nicht sicher wären, ein Vielfaches wieder rauszuholen“, so Brocks zuversichtlich. Die Zeichen dafür stehen gut. Die Enquete–Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ des Bundestages hält in ihrem Abschlußbericht zwar fest, daß „für die Produktion mit gentechnisch veränderten Organismen ein nicht auszuschließendes Restrisiko“ vorhanden ist, hält aber „angesichts des zu erwartenden Nutzens“ dieses Risiko „für akzeptabel“. Das freut die Hoechster, denn „wir sind eine Sicherheitsstufe über die erforderliche hinausgegangen“, lobt Brocks die Firma Hoechst. Alles klar also für das große Gengeschäft.

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