: Hochschulverwaltung vor dem Chaos?
■ Nach der Übernahme der Ostberliner Hochschuleinrichtungen durch den Senat noch immer keine neuen Stellen in der Hochschulverwaltung/ Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Senatorin Riedmüller
Charlottenburg. Der Verwaltungsbereich der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung ist dem Zusammenbruch nahe. Das jedenfalls ist die Meinung von Mitgliedern des Personalrates, die jetzt in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Senatorin Barbara Riedmüller erhoben haben. Darin wird der Sozialdemokratin vorgeworfen, nicht angemessen auf die zusätzliche Arbeitsbelastung durch die Vereinigung der beiden Halbstädte reagiert zu haben.
»Nach den neuesten Plänen«, heißt es in dem Schreiben an Walter Momper, »sollen die zunächst als notwendig erkannten Stellenzugänge derart zurückgescnitten werden, daß eine Übernahme der zusätzlichen Aufgaben von vornherein ausgeschlossen ist.« Es wird darauf verwiesen, daß das Hochschulressort im Gegensatz zu anderen Bereichen nicht mit der entsprechenden Ostberliner Verwaltung zusammengelegt wurde. Somit existierten in Ost-Berlin auch keine dementsprechenden »Spiegelverwaltungen«. »Angesichts dieser Sachlage«, so die Verfasser des Briefes weiter, »muß der Personalrat mit Bedauern feststellen, daß von der Leitung unseres Hauses bisher nichts unternommen worden ist, das drohende Chaos abzuwenden.« Wie eine Vertreterin des Personalrates der taz dazu mitteilte, sei durch die Übernahme eine Mehrarbeit auf die zuständigen Verwaltungen zugekommen, die von den Beamten und Angestellten nicht mehr verkraftet werden könne. Rund 13.000 Mitarbeiter der neu hinzugekommenen Einrichtungen gelte es zu verwalten. Zur Zeit sei die Innenverwaltung nur bereit, zehneinhalb Planstellen zu genehmigen — eine »irrige Entscheidung«, da man allein zur Führung der Personalakten elfeinhalb Planstellen benötige. Ursprünglich, so die Vertreterin des Personalrates, hatten Stadtverordnetenversammlung und Magistrat im Ostteil der Stadt fünfundvierzig Stellen beschlossen, die jedoch auf Grund der Verantwortung des Senates für die Ostberliner Hochschuleinrichtungen nicht realisiert werden konnten. Mit zahlreichen Bewerbern seien schon Einstellungsgespräche geführt worden.
Man hoffe, erklärte die Personalratsvertreterin, daß die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Senatorin Riedmüller eine ähnliche Wirkung haben werde wie die gegen Justizsenatorin Limbach. In der Justizverwaltung sei bei der Realisierung von Stellen dem Anschein nach etwas in Gang gekommen. Die Sprecherin der Wissenschaftsverwaltung, Christine Richter, wies die Vorwürfe gegen Riedmüller zurück. Die Senatorin habe sich sehr wohl um die Installierung neuer Planstellen bemüht. Die Verantwortung für die schleppende Entscheidungsfindung liege bei den Ressorts Inneres und Finanzen. Im Augenblick werde zwischen Senatorin Riedmüller und den beiden Senatsverwaltungen über die Größenordnung der Personalaufstockung verhandelt. Es liefen Einstellungsverfahren zunächst für die ursprünglich von der Ostberliner Stadtregierung beschlossenen 45 Stellen, sagte Richter. Es sei jedoch unklar, wie viele Stellen letztlich neu eingerichtet würden, um die Ostberliner Hochschulen und Fachhochschulen mitzuverwalten. Aufsichtsbeschwerden seien kein Instrument zur Lösung technischer Fragen, so Riedmüllers Sprecherin Richter.
Während gestern weder aus der Innen- noch aus der Finanzverwaltung Stellungnahmen zu bekommen waren, verlautete derweilen aus der Senatskanzlei, daß es eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Senatoren juristisch-technisch nicht geben könne. Senatoren hätten laut Berliner Verfassung nur eine politische Verantwortung gegenüber dem Parlament. Aufsichtsbeschwerden seien nur angebracht bei persönlichem Fehlverhalten einzelner Beamter, beispielsweise bei Beleidigungen oder Alkoholismus. Kürzlich hatte der Gesamtpersonalrat Berliner Justiz ebenfalls wegen Arbeitsüberlastung eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Justizsenatorin Jutta Limbach beim Regierenden Bürgermeister eingereicht. ok
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