Hochschulkonkurrenz: Kampf um den Elite-Titel
Im bundesweiten Exzellenz-Wettbewerb geht es in die letzte Runde. Die Spitzen der Berliner Universitäten hoffen auf einen Sieg, die Studentenvertreter auf eine Niederlage.
BERLIN taz | Die Antwort kommt per Mail. Für die deutschen Hochschulen ist es die wichtigste Mail des Jahres. Punktgenau um 14.45 Uhr am Freitag will die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sie verschicken, und sie enthält die Antwort auf eine Frage, die so nie gestellt wurde und für 16 Universitäten doch alles bedeutet: Wer wird Elite-Uni? Wer darf es bleiben? Und wer fliegt raus?
Die Nervosität an den Hochschulen ist groß. Seit rund sechs Jahren befinden sie sich im Ausnahmezustand. Wissenschaftler haben die aktuellen Trends der Forschung ausgelotet, neue Kooperationen geschlossen, Hunderte Forschungsanträge geschrieben.
Sie haben zusätzliche Verwaltungsarbeit auf sich genommen und auch noch das Theater mit den Uni-Begehungen mitgemacht: Wochenlang bereiteten sich die Professoren auf den Besuch der Exzellenzgutachter vor: studierten die Biografien der Gutachter, lernten Antworten auswendig und probten die Inszenierung in Kleingruppen.
Einige Universitäten hatten vorher noch mal renoviert, um Eindruck zu schinden. Wenn sie jetzt in den drei Förderlinien – Exzellenzcluster, Graduiertenschulen und Zukunftskonzept – überzeugen können, dann hat es sich gelohnt. Dann sind sie Elite.
Vier fallen raus
Für einige Universitäten ist es die letzte Chance, den begehrten Elite-Titel zu bekommen: Die dritte Runde des Wettbewerbs ist auch die letzte. Neben dem Prestige geht es um sehr viel Geld. 2,7 Milliarden Euro verteilt der Bund unter den siegreichen Universitäten. In der ersten Phase des Wettbewerbs waren es 1,9 Milliarden.
Insgesamt haben sich 22 Kandidaten beworben, sieben Neubewerber kamen in die engere Auswahl – die Unis Bremen, Bochum, Köln, Mainz und Tübingen, die TU Dresden und die Humboldt-Universität Berlin (HU). Die neun Universitäten, die in der vorigen Runde erfolgreich waren, sind automatisch gesetzt, darunter die Freie Universität (FU) in Dahlem.
Die Entscheidung treffen die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern, die DFG und der Wissenschaftsrat. Zwölf Unis werden gefördert, vier fallen raus.
Berliner Derby: HU vs. FU
In Berlin kommt es deshalb zum Showdown: Auf der einen Seite die HU als Newcomer, auf der anderen Seite die bereits exzellente FU. Im Jahr 2007 galt die Humboldt-Uni als Elite-Favorit und wurde von der FU Berlin ausgestochen – eine bittere Niederlage für Berlins älteste Universität, die unter dem damaligen Präsidenten Christoph Markschies mehr stritt als zusammenarbeitete. Die FU wurde dagegen vom Hochschulmanager Dieter Lenzen knallhart auf Erfolg getrimmt.
Heute steht die Humboldt-Uni geschlossener da. Der neue Präsident Jan-Hendrik Olbertz hat sie geeint und auch Kritiker der Exzellenzinitiative ins Boot geholt. Selbst Studenten konnten – in beschränktem Umfang – am Exzellenzantrag mitwirken. Der setzt unter dem Titel „Bildung durch Wissenschaft: Persönlichkeit, Offenheit, Orientierung“ auf die Lebenswissenschaften und ein Institut, das zu Nachhaltigkeit, Landnutzung und Globalisierung forschen soll.
Mit diesem Programm gilt die HU als eine Favoritin im Wettbewerb. Zahlreiche erfolgreiche Exzellenzcluster und Graduiertenschulen empfehlen sie ohnehin. Sollte sie trotzdem verlieren, wäre das ein schwerer Imageschaden: drei Versuche, dreimal gepatzt.
Aber auch die Freie Universität steht unter Erfolgsdruck. Sie hat in den vergangenen Jahren ihre Exzellenz-Einrichtungen aufgebaut, ihr Konzept der internationalen Netzwerk-Universität führt sie fort. Im aktuellen Antrag setzt sie mit Postdoc-Programmen auf die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Zudem will sie ihr Netzwerk-Konzept auf die Region übertragen und mit bestimmten Forschungseinrichtungen stärker kooperieren.
Der FU haben die bisherigen Exzellenzgelder genutzt: Sie tritt mit größerem Selbstbewusstsein auf, liegt in Drittmittel- und Universitätsrankings auf den vorderen Plätzen. Aber es gibt auch eine Kehrseite: Unter den Wissenschaftlern gibt es Spannungen, die Förderung ist ungleicher geworden. Fachbereiche ohne Exzellenzbeteiligung verlieren an Bedeutung, andere geraten durch ihre Beteiligung im Alltagsbetrieb an ihre personellen Grenzen. Wenn die FU nicht in der ersten Liga bleibt, fehlen ihr bis zu 42 Millionen Euro. Sie müsste dann einige Exzellenz-Einrichtungen schließen. Hinzu käme der Eindruck, dass sich die Uni verschlechtert hat.
Lehre ohne Exzellenz
Und nicht alle fiebern der Entscheidung so entgegen wie die Hochschulrektoren. Der Wettbewerb wird in vielerlei Hinsicht kritisiert: Bei der Exzellenzinitiative werden vorrangig Anträge bewertet und nicht die Forschung, ermittelt wird quasi die Antragsexzellenz. Zudem hat die Initiative die Konkurrenz unter den Universitäten erhöht und Tendenzen zu Ökonomisierung und Konzentration im Hochschulsystem verstärkt. Einige wenige Unis werden stärker, die anderen bleiben schwach.
Der für die Masse der Berliner Studenten wichtigste Punkt wird erst gar nicht berührt: die Lehre. Im Gegenteil, an der Freien Universität leidet sie eher. Etwa ein Viertel der mehr als 300 Professoren hat die Lehrtätigkeit reduziert, weil sie sich in Exzellenzprojekte abgeseilt haben. Das Betreuungsverhältnis ist schlecht: Die Studenten suchen in einigen Fachbereichen länger nach Betreuern für ihren Abschluss, die Dozenten wechseln häufig.
Der FU-Studierendenvertreter Mathias Bartelt sieht die Exzellenzinitiative erwartungsgemäß kritisch: „Ich lehne den Exzellenzwettbewerb ab und auch, wie sich die Uni von den Geldern abhängig gemacht hat.“ Bartelt rechnet mit Kürzungen in den Fachbereichen, sollte die Uni nicht noch einmal erfolgreich sein. An der HU hofft die Studierendenvertretung deshalb auf ein Scheitern der Uni-Bewerbung: „Die Exzellenzinitiative schadet mehr, als sie nützt“, sagt Studierendenvertreter Gerrit Aust. Er befürchtet ähnlich wie Bartelt Kürzungen und die Schließung „kompletter Institute“ nach dem Ende der Exzellenzförderung 2017.
An das Ende wollen die Rektoren der Hauptstadt-Universitäten noch nicht denken. Die FU lädt für den Freitagnachmittag nach der Entscheidung bereits zum Sommerfest. Und an der HU gibt es erst Kaffee und Kuchen beim Präsidenten und abends einen Sektempfang. Egal, was am Ende in der Mail steht.
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