Hochschule: Uni demontiert Reformstudium
Nach der Zwangsfusion mit der Universität Hamburg erkennen Professoren und Studenten ihre einst hoch gelobte Hochschule für Politik nicht mehr wieder.
Als vor vier Jahren die damalige Hochschule für Politik (HWP) in die Uni Hamburg integriert wurde, hieß es vom damaligen CDU-Senat, dies geschehe aus organisatorischen Gründen. Die kleine Hochschule an sich mit ihrem Angebot für Nicht-Abiturienten und einer konkurrenzlos guten Absolventenquote wurde viel gelobt. Vier Jahre später reiben sich gestandene HWP-Professoren wie Udo Reifner verwundert die Augen. "Es ist fast nichts mehr übrig von der alten Struktur", sagt der Experte für Verbraucherschutzrecht.
Das Studium an der HWP war interdisziplinär, die Studierenden, die auch ohne Abitur angenommen wurden, lernten dort nicht nur Betriebswirtschaft und Volkswirtschaftslehre, sondern auch Arbeitsrecht, Völkerecht und Soziologie. "Das Recht hat eine große Rolle gespielt. Wir brauchen Führungspersonen, die Gerechtigkeitsvorstellungen haben", erklärt Reifner. Die HWP hatte einen stolzen Jura-Bereich mit 15 Professoren und Dozenten. "Die waren genauso stark wie BWL, VWL und Soziologie. Das hat zu einem ganz eigenem Studium geführt."
Nach der Zwangsfusion mit der Uni, wo die HWP zum eigenständigen Fachbereich "Sozialökonomie" in der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Wiso) wurde, habe er sich mit Gründungsdekan Wolfgang Weber darauf verständigt, ein Zentrum für Arbeitsrecht und eines für Verbraucherschutz zu bilden. Beide bekamen jeweils drei Professuren.
Die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) wurde 1948 als Akademie für Gemeinwirtschaft von Gewerkschaftern geründet und hatte zuletzt 3.500 Studierende.
Die Fusion: 2005 wurde sie mit der Uni Hamburg vereint. Zusammen mit den Fachbereichen Wirtschaftswissenschaft und Sozialwissenschaft wurde eine Fakultät mit fast 12.000 Studierenden und Mitarbeitern gebildet.
Das Besondere: 40 Prozent der Studienplätze sind für Nicht-Abiturienten reserviert.
Berühmte Absolventen sind unter anderem Björn Engholm und Olaf Henkel. Schwarz-Grün hat im Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Studiengang Sozialökonomie erhalten bleibt.
Doch Weber ist nicht mehr da, das Dekanat wird seit drei Jahren nur kommissarisch geleitet. In der Zeit wurden Stellen vom Arbeitsrecht zur Betriebswirtschaft verlagert. Von den Stellen solle nur eine bleiben, berichtet Reifner: "Das Arbeitsrecht wird praktisch geschliffen." Er verfasste einen Protestaufruf, der von 1.100 Menschen unterzeichnet wurde.
Der studentische Fachschaftsrat der Ex-HWP veröffentlichte jetzt einen Auszug aus dem geheimen Struktur- und Entwicklungsplan (STEP), der auch nichts Gutes verheißt. Demnach sollen am Studiengang Sozialökonomie bis 2012 "13 Stellen gezielt in den Fachbereichen Soziologie und Rechtswissenschaft gestrichen werden".
Der kommissarische Wiso-Dekan Kai-Uwe Schnapp stellt die Sache anders dar. Die HWP habe viele C 2-Professuren ohne Mitarbeiter gehabt. Diese Struktur werde jetzt zu Gunsten höher dotierter Professuren geändert. Unterm Strich habe die Sozialökonomie mit künftig 96 wissenschaftlichen Mitarbeitern sogar mehr Ressourcen als heute, nur dass ihr 19 C 2-Professorentitel und somit "symbolisches Kapital" entzogen werde.
Schnapp räumt aber ein, dass Arbeitsrechtsstellen zur Betriebswirtschaft verlagert wurden. "Wir haben das entsprechend der Nachfrage der Studierenden etwas umgestaltet." Auch gebe es beim Arbeitsrecht eine Ausdünnung, weil zufällig andere Professuren früher zur Neubesetzung anstanden. Schnapp: "Das ist nicht gut, war aber keine Absicht." Man müsse jetzt überlegen, wie man zu einer "einvernehmlichen Lösung kommt".
Die Rede ist jetzt davon, dass eine der drei Verbraucherschutzstellen umgewidmet wird. Für Reifner ist das fast noch schlimmer: "Wir brauchen alle sechs Professuren, um die Sozialökonomie zu erhalten", sagt er. "Aus der HWP droht eine reine BWL-Klitsche zu werden", mahnt auch Studentenvertreter Jan Schulze. Die alte Struktur mit den vielen Professuren habe eine gute Betreuung gewährleistet, die für ein Studium ohne Abitur nötig sei.
Ein Problem ist, dass die ehemalige HWP keine Selbstverwaltungsstrukturen mehr hat. Es gibt nur einen "Fachausschuss" ohne Rechte, und selbst deren Sprecher wird vom Dekanat ausgewählt. "Die ehemalige HWP hat zu wenig Einfluss auf Berufungen", sagt auch Dozentin Ulla Rahlfs. Reifner fordert "autonome Gestaltungsspielräume" für den Fachbereich Sozialökonomie. "So wie es jetzt ist, dass eine Fakultät 12.000 Leute hat und nur einer von oben regiert, kann es nicht funktionieren."
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