■ Hochkonjunktur in Deutschlands ältester Zwergenfabrik: Zu DDR-Zeiten gab es Sparschweine
Gräfenroda (taz) – Rote Dächer, Fachwerkgiebel, mitten im Ort ein runder Teich. Von den umliegenden Hügeln wirkt Gräfenroda im Thüringer Wald wie ein Spielzeugdorf. Die Gehsteige sind gefegt, in vielen Fenstern hängt noch die Nach-Wende-Reklame für Zigaretten und Kaffee.
Versteckt in einer Kurve liegt die Gartenzwergfabrik – die älteste in Deutschland. „Hier stand die Wiege des deutschen Gartenzwergs“, bestätigt Inhaber Reinhard Griebel. In Gräfenroda hat schon Urgroßvater Philipp um die Jahrhundertwende zipfelbemützte Figuren für Vorgärten und Balkone hergestellt. „Das waren die ersten richtigen Gartenzwerge, die mit roter Mütze und aus Ton gebrannten.“ Alle anderen, Reinhard Griebel denkt da vor allem an die heutige Massenproduktion aus Plastik, „dürften unter diesem Namen eigentlich gar nicht laufen“. Denn eine Seele, die habe „nur der Gartenzwerg aus Ton. Der kommt aus der Natur, und der geht auch wieder in die Natur zurück.“
Wie damals werden die zwischen sechs und sechzig Zentimeter großen Zwerge auch heute noch mit der Hand geformt, bei rund tausend Grad in Öfen gebrannt und von Frauen aus den Dörfern in Heimarbeit bemalt. Sieben feste Mitarbeiter und 25 Teilzeitbeschäftigte hat der Betrieb, bis zu 1.000 Figuren gehen jede Woche für einen Preis von 4 bis 200 Mark über den Ladentisch oder werden von Zwischenhändlern abgeholt. „Der Gartenzwerg“, so Ehefrau Veronika Griebel, „ist wieder im Aufschwung begriffen.“
Das war nicht immer so. 1948 untersagte die DDR-Regierung die Produktion. Familie Griebel stieg auf Sparschweine um, erhielt später aber eine Ausnahmegenehmigung, für 17.000 Westmark im Jahr Gartenzwerge zu fertigen. „Die gingen in den Export“, sagt Reinhard Griebel. Vor allem nach Dänemark und Schweden, wo sie von trunkenen Eltern und kreischenden Kindern beim weihnachtlichen Julklapp zerschlagen wurden. 1972 verstaatlichten die Behörden den Betrieb und überführten ihn in den VEB Terrakotta. Für die Griebels waren dies „die schlimmsten Jahre“. Die Produktionshalle verrottete, „im Dach klafften riesige Löcher“. Der Gartenzwerg aber, Reinhard Griebel lächelt geheimnisvoll, „hat den Sozialismus irgendwie überlebt.“
Der neue Start nach der Währungsunion verlief zunächst schwierig. „Mit ihrem vermeintlichen Reichtum stürzten sich die Menschen zunächst vor allem auf Autos und Elektrogeräte“, analysiert Firmenchef Griebel die kapitalistische Aufbruchstimmung seiner Landsleute. Erst „so langsam“ hätten sich die Bürger wieder auf andere Werte besonnen. Auf welche? „Ruhe und Gelassenheit. Der Gartenzwerg ist ein friedfertiger Geselle, der all das ausstrahlt.“
Ein Rundgang durch das „Zwergenstübchen“, in dem die fertigen Figuren ausgestellt sind, soll die Gemütsverfassung der toten Tonfiguren belegen. Auf den Regalen stehen Gartenzwerge mit Hammer und Schaufel neben solchen mit Schubkarren und Ziehharmonikas. Andere halten ein Buch oder eine Angelrute in der Hand oder haben eine Brille auf der Nase. „Eine Zwergin haben wir auch, die Adelheid“, sagt Veronika Griebel stolz und zerrt aus einem Winkel ein eher an Rotkäppchen erinnerndes, schon etwas verstaubtes Figürchen hervor.
Vor ihrem Verkauf werden die Zwerge mit einer Schicht aus flüssigem Kunststoff wetterfest gemacht. Gegen mutwillige Zerstörung und Vandalismus nützt die Glasur allerdings nicht, „da hilft nur Bewußtseinsarbeit“. Die soll eine kürzlich von den Griebels mitgegründete Organisation leisten, der „Verein zum Schutz der Gartenzwerge“. Reimar Paul
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