Hitze in der Arktis überrascht Forscher: Heißzeit 70 Jahre zu früh
Zu warm im Norden: Permafrostböden tauen so schnell wie für 2090 prognostiziert. Grönland verliert 2 Milliarden Tonnen Eis am Tag.
In Grönland schmilzt nach einer neuen Untersuchung der Eispanzer bereits jetzt so schnell wie für Juli prognostiziert. Vergangene Woche verlor die Insel 2 Milliarden Tonnen Eis am Tag, berichteten Wissenschaftler. „Ungewöhnlich, aber nicht einmalig“, war das Urteil des Grönland-Experten Thomas Mote von der University of Georgia gegenüber CNN.
Bereits 2012 war ein Rekordjahr der Schmelze in Grönland, Wissenschaftler fürchten nun eine Wiederholung. Ungewöhnlich warmes und stabiles Wetter mit bis zu 20 Grad Celsius begünstigt den massiven Eisverlust. Besonders beunruhigt die Forscher, dass sich nicht nur die Gletscherschmelze verstärkt, sondern auch die Oberfläche des Eispanzers taut.
Ebenfalls alarmierende Nachrichten kommen vom Permafrostboden in der kanadischen Arktis. Einer Studie der Amerikanischen Geophysikalischen Union zufolge taut der besonders kalte Boden (unter minus 10 Grad Celsius) sehr viel schneller als in den Klimamodellen vorgesehen.
Serie ungewöhnlich warmer Sommer
„An allen untersuchten Stellen traf oder übertraf die maximale Auftautiefe seit 2003 die in einem Szenario des UN-Weltklimarats IPCC für 2090 prognostizierten Werte“, schreibt das Forscherteam um Louise Farquharson vom Permafrost-Labor des Geophysikalischen Instituts in Fairbanks, Alaska.
Eine Serie ungewöhnlich warmer Sommer und das Fehlen einer isolierenden Vegetationsschicht brächten die Eisschicht nahe an der Oberfläche doppelt bis fast dreimal so schnell zum Tauen wie in den Jahrzehnten zuvor. Der Boden senke sich deshalb um bis zu 90 Zentimeter, wenn das Eis darin schmelze und abfließe.
Wie sorgenvoll die Klimaschützer auf die Arktis schauen, hatte bereits im Frühjahr ein Bericht des UN-Umweltprogramms Unep klargemacht. Während sich die globale Atmosphäre seit 1880 bisher um 0,8 Grad Celsius erwärmt hat, steigen die Temperaturen in der Arktis doppelt so schnell an.
Schon bis 2050, so der Unep-Bericht „Global Linkages“, werden sie hier im Winter um 3 bis 5 Grad zulegen, bis 2080 sogar um 5 bis 9 Grad – „selbst wenn die Staaten es schaffen, ihre Treibhausgasemissionen so zu drosseln, wie es das Pariser Abkommen zum Klimaschutz vorsieht“.
In den 2030er Jahren Arktis im Sommer eisfrei
Die Folgen sind dramatisch: Seit 1979 ist das Meereis rund um den Nordpol um 40 Prozent zurückgegangen, bereits in den 2030er Jahren dürfte die Arktis im Sommer eisfrei sein. Ähnliches hatte auch der Bericht des UN-Klimarats IPCC vom Oktober 2018 prognostiziert – selbst wenn die Erderwärmung bei 2 Grad Celsius gestoppt werde. 2011 gab es 12,6 Tage weniger mit Schnee auf dem Boden auf dem eurasischen Teil der Polargebiete als 1982.
Die Erwärmung folgt dabei laut Unep einem Teufelskreislauf: Weniger Schnee und Eis bedeuten mehr dunkle Land- und Meeresgebiete, die sich stärker aufheizen, weil sie weniger Wärme reflektieren als weiße Flächen. Mehr Wärme führt zu einem Auftauen der bislang ewig gefrorenen Permafrostböden, aus denen die Klimagase Kohlendioxid und Methan aufsteigen – was wiederum die Erwärmung der Atmosphäre befeuert. „Ein schlafender Riese erwacht“, warnt der Bericht: „Neue Daten legen nahe, dass der Permafrost viel schneller auftaut als bisher gedacht.“
Was in der Arktis passiert, bleibt aber nicht dort: Die drastische Veränderung im Norden hat laut anderen Studien auch Einfluss auf die Wettermuster auf der gesamten nördlichen Halbkugel: Der Jetstream, das Band an Luftströmungen in großer Höhe, schwäche sich ab, so dass wärmere Luft weiter nordwärts und kältere Luft weiter südwärts als gewohnt strömen könne – mit Hitzerekorden im Norden, Kälteextremen im Süden und mehr Niederschlägen.
Unbeeindruckt von diesen Entwicklungen ist die US-Regierung. Als bei einer Sitzung des „Arktis-Rats“ der betroffenen Länder in Finnland im Mai der Klimawandel angesprochen werden sollte, verweigerte Außenminister Mike Pompeo dem Abschlussdokument die Unterschrift. Lieber betonte er, durch weniger Eis gebe es leichteren Zugang zu Öl- und Gasreserven und „Chancen und Überfluss“.
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