Hintergrund Vorratsspeicherung: Überwachung ohne Verdacht
Telekom-Unternehmen sollen alle Kundendaten für ein halbes Jahr speichern müssen, so will es die EU. Doch wie werden die Daten geschützt - und wer zahlt die Kosten?
Die Internetwirtschaft kritisiert das geplante Gesetz zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft, Eco, spricht von einem "Paradigmenwechsel für den Datenschutz und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung".
Bisher dürfen Telekom-Unternehmen nur zu Abrechnungszwecken Daten speichern. Ab Januar 2008 soll das zur Pflicht werden. "Die verdachstunabhängige Überwachung nahezu aller Bundesbürger ist ein Novum", sagt Eco-Vorstandsmitglied Oliver Süme.
"Keiner will die Strafverfolgung behindern", sagt Sümes Vorstandskollege Klaus Landefeld. Was er kritisiert, ist die Tatsache, dass die Daten ein halbes Jahr lang auf Vorrat gespeichert werden. So kann genau überprüft werden, wer mit wem wann und wie lange kommuniziert hat - und das ganz ohne konkreten Verdacht. Das sei verfassungsrechtlich umstritten. "Bisher gibt es auch noch keine Vorgaben, wie die gesammelten Daten gesichert werden sollen", sagt Landefeld. Theoretisch könne jeder Mitarbeiter sehen, wer wie lange im Internet surft. Der Zugriff auf die Daten müsse klar geregelt werden.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung wurde im April beschlossen. Grundlage dafür ist eine Richtlinie der Europäischen Union (EU). Danach sollen die Telekommunikations-Unternehmen alle Verbindungsdaten ein halbes Jahr lang speichern. So soll die Polizei bei Bedarf rekonstruieren können, wer mit wem per Telefon, Mail oder SMS in Verbindung gestanden hat.
Aufwand und Nutzen stünden in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander, moniert Eco. Allein für die nötige Hard- und Software kämen auf die Internet-Branche "enorme Investitionskosten" zu, sagt Landefeld. Etwa 50 Millionen Euro müssten die Unternehmen jährlich in neue Programme investieren. "Durch die Vorratsdatenspeicherung übernimmt die Internetwirtschaft eine Aufgabe der Stafverfolgungsbehörden", ergänzt Vorstandskollege Süme. Diese Kosten solle die Bundesregierung erstatten, andernfalls sei die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen gefährdet.
Am Ende könnten die Kosten an den Verbrauchern hängen bleiben. Selbst die Politiker rechnen mit einer Erhöhung der Preise: "Es ist zu erwarten, dass die betroffenen Unternehmen die zusätzlichen Kosten bei ihrer Preisgestaltung einkalkulieren und an die Kunden weitergeben", steht schon im Gesetzentwurf.
Viele Unternehmen warten erstmal ab. Die Umsetzung der Vorgaben bis zum 1. Januar 2008 sei ohnehin "technisch unmöglich", sagte Landefeld. Und ob das Gesetz komme und wie es dann konkret aussehe, sei noch nicht sicher. Derzeit klagt Irland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die EU-Richtlinie. "Es könnte also sein, dass die EU das Gesetz wieder kippt", sagt Landefeld. Dann seien die Investitionen der Branche vergebens gewesen. Der Verband fordert daher die Regierung dazu auf, die Umsetzung der Richtlinie bis zur Entscheidung des EuGH aussetzen.
Sollte das Gesetz zur Zwangsspeicherung von Verbindungsdaten verabschiedet werden, haben bereits 17.000 Bürger per Unterschrift angekündigt, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. "Der gigantischsten Datensammlung Deutschlands setzen wir die größte Verfassungsbeschwerde Deutschlands entgegen", sagte Ricardo Remmert-Fontes vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Am kommenden Samstag laden der Arbeitskreis und andere Gruppen unter dem Motto "Freiheit statt Angst" in Berlin zu einer Demonstration. Treffpunkt ist das Brandenburger Tor, Beginn 14.30 Uhr.
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