Hinter den Kulissen: Wie der aktuelle Polizeiruf entstand
Am Sonntag läuft der Polizeiruf "Feindbild". Unser Autor hat die Produktion ein halbes Jahr begleitet. Ganz wichtig: das Drehbuchprobelesen beim Regisseur am Küchentisch.
Eoin Moore hasst Tage wie diese. Es ist zwar erst acht Uhr früh, August 2010, aber der Regisseur weiß es schon jetzt. „Der späte Wurm entkommt dem frühen Vogel“, steht auf seinem T-Shirt. „Technische Motivbesichtigungen wären ein Grund, den Job aufzugeben“, sagt Moore und steigt trotzdem in den Kleinbus. Hilft ja alles nichts: „Vertrauen ist gut, Überprüfung ist besser.“ Ganz schön eingedeutscht dieser Ire, der 1988 wegen einer Frau nach Deutschland kam und blieb. Moore, ein chronisch verstrubbelter 42-Jähriger, jobbte zunächst als Gärtner und als Tonmann, ab 1991 studierte er Regie an der dffb, der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Bevor er sich dem Fernsehen zuwendete, drehte er Kinofilme wie „Pigs Will Fly“ und „Im Schwitzkasten“.
Vorne auf dem Beifahrersitz telefoniert der Motivaufnahmeleiter seine Kontaktnummern ab, um sicherzugehen, dass die Filmleute nicht vor verschlossenen Türen stehen. Zwischen 500 und 5.000 Euro zahlen Produktionsfirmen Motivgebern pro Drehtag - je nach Größe, Ausstattung und Verdienstausfall.
Bis 18.30 Uhr ist der Tag straff durchgetaktet: Raus ausm Auto, gucken, wieder rein, fahren, raus, gucken, rein - vier Tage dauert dieses Spiel für Moore. Am Tag zuvor haben sie in Rostock die Motive ausgewählt. 18 von 23 Tagen wird das Team wie immer in Hamburg drehen, wo der NDR sitzt und damit die nötige Infrastruktur und qualifiziertes Personal. Alles in Rostock zu drehen würde mindestens 200.000 Euro mehr kosten – angesichts eines Gesamtbudgets von knapp 1,5 Millionen Euro pro Film kann und will der Sender sich das nicht leisten.
Und so wird das Zentrallager eines Duty-free-Shop-Betreibers zum Sitz der fiktiven Firma Geiger Pharma. Der Pragmatismus von Szenenbildner Florian Langmaack erstaunt. Hier "eine schicke Apple-Tastatur" für das Chefbüro, da das Firmenlogo an die Glastür - viel mehr will er nicht verändern. Aus den Teebereitern in der Kantine sollen Laborgeräte werden. „Das muss keinen Sinn ergeben“, sagt er, „nur gut aussehen.“ Eoin Moore hält sich auffallend zurück. „Gesunde Distanz zum Kleinkram“, nennt er das, „es ist ein wichtiges Signal für die Teammitglieder, dass sie autonom arbeiten dürfen.“
Am Abend begrüßt Moore die Hauptdarsteller zur Leseprobe am Küchentisch seiner Eimsbütteler Arbeitswohnung. „Ich will nur, dass sie es weiß? Ich will nicht, dass wir eine Lösung finden, oder?“, fragt Charly Hübner, als sie beim Herzstück des Films ankommen - zumindest, was das schwierige Verhältnis der Figuren Katrin König und Alexander Bukow angeht. Hübner, dieser derb aussehende Mecklenburger Kerl, lotet die feinen Nuancen seiner Figur aus – mit Moores Hilfe. „Die Leseprobe ist richtungsweisend für mich“, sagt Hübner später, "weil ich da die entscheidenden Signale von Eoin bekomme, wo er die Geschichte hinhaben will und was ihm schnuppe ist."
Die Ganze Geschichte über den Polizeiruf und viele andere Texte lesen Sie in der sonntaz vom 5./6. Februar 2011. Jetzt mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
Vor dem Spielen steht das Verstehen - das Einfühlen in die Psychologie ihrer Figuren, den „inneren Film“, wie Hübner das nennt. In der angesprochenen Szene gesteht Hauptkommissar Bukow seiner Kollegin König, aus Angst um das Leben seines Sohns Polizeiinterna preisgegeben zu haben. Der Bösewicht Subocek hatte den Jungen entführt, als Bukow verdeckt gegen ihn ermittelte. König wiederum, vom LKA nach Rostock abgestellt, ermittelt offen gegen Bukow und dessen kriminelle Vergangenheit, die noch Gegenwart sein könnte. So genau wissen das weder König noch die Zuschauer.
Wie es am Set weitergeht, wie im Synchronstudio an den Dialogen gefeilt wird und warum der Hauptdarsteller beim Regisseur im Gästebett pennt, erzählt die Ganze Geschichte der aktuellen sonntaz. Wie der Fall dann ausgeht, sehen Sie am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr