Hilfe für Papierlose: Stotterstart für Anlaufstelle
Neue Clearingstelle soll papierlosen Flüchtlingen im Krankheitsfall helfen. Medizinische Regelversorgung Abschiebebedrohter ist nicht geplant.
Offiziell soll die medizinische Beratungsstelle für kranke Flüchtlinge ohne Papiere am heutigen 1. Februar ihren Betrieb aufnehmen. Doch Josef Däullary, Geschäftsführer des Flüchtlingszentrums an der Adenauerallee, meldet verzögerten Vollzug: "Wir brauchen noch ein paar Tage", sagt er. Mit der Clearingstelle wird ein Projekt umgesetzt, dass die GAL 2008 in der schwarz-grünen Koalition durchgesetzt hat - nur sei von der ambitionierten Idee kaum noch etwas übrig, sagen ihre Erfinder.
Schon vom Koalitionspartner CDU war der von der Ärztekammer und Flüchtlingsinitiativen vehement unterstützte "anonyme Krankenschein" gekippt worden. Über ihn hätten die behandelnden Ärzte ihre Leistungen auch dann abrechnen können, wenn ihre Patienten keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben. "Dies wäre eine Möglichkeit, diese Menschen in die medizinische Regelversorgung zu bekommen", sagt Ärztekammer-Sprecherin Sandra Wilsdorf. Der Staat dürfe sich nicht darauf ausruhen, "dass es Ärzte gibt, die umsonst arbeiten".
Doch es gibt noch mehr Probleme. Die 500.000 Euro, die für das Projekt in den kommenden drei Jahren zur Verfügung stehen, seien ursprünglich für ergänzende Leistungen gedacht gewesen, die laut Asylbewerberleistungsgesetz nicht übernommen werden, sagt die GAL-Abgeordnete Antje Möller. Etwa für Prothesen und dringend notwendige Zahnspangen, die in dem Regelwerk als kosmetische, nicht aber medizinisch notwendige Leistungen deklariert sind.
Noch immer findet die medizinische Versorgung vieler Flüchtlinge in einer rechtlichen Grauzone statt.
Vorwiegend ehrenamtlich arbeitende Organisationen wie das "Medibüro" in der Norderreihe 61 vermitteln Bedürftige an rund 160 verschiedene Mediziner, die bereit sind, unversicherte Kranke unentgeltlich zu behandeln.
Auch in der Malteser Migranten Medizin (MMM) im Marienkrankenhaus finden Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus und Menschen ohne Krankenversicherung einen Arzt, der die Erstuntersuchung und Notfallversorgung etwa bei Geburten oder notwendigen Eingriffen übernimmt.
Da aber auch die medizinische Grundversorgung von Menschen ohne Papiere weder vom schwarz-grünen Senat noch von der jetzigen SPD-Regierung geregelt wurde, werden die begrenzten Gelder nun für die medizinische Basisversorgung ausgegeben - und vermutlich schnell verbraucht werden. "Eine Lebertransplantation und das Geld ist weg", sagt Möller.
Zudem hat sich das aus vielen Flüchtlingsinitiativen bestehende Netzwerk zerlegt, das das Projekt unterstützen sollte. Weil das Netzwerk sich mit der Sozialbehörde nicht über die Finanzierung der neuen Clearingstelle einigen konnte, sprang das Deutsche Rote Kreuz als Träger kurzfristig ab.
Auch das Medibüro, dass jährlich 2.000 bis 3.000 erkrankte Migranten betreut, scherte aus. "Das Projekt ist zum Scheitern verurteilt", sagt Arne Cordua vom Medibüro. Ambulante Behandlungen würden nur zum Teil bezahlt, eine Anschlussfinanzierung gebe es nicht und das Medibüro solle der Clearingstelle seine Klienten und Ärzte ehrenamtlich vermitteln.
Trotz dieses Stotterstarts will die Ärztekammer, so Wilsdorf, das Projekt "nicht zernörgeln, sondern konstruktiv begleiten". Denn bei allen Problemen bedeute die Clearingstelle "eine faktische Verbesserung" für die Gesundheitsversorgung von abschiebungsbedrohten Flüchtlingen.
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