: Hilfe, die Religiösen sind los!
Der Karikaturenstreit, die Mohammedaner und der Trittbrettbischof von Augsburg. Ein dringend notwendiges Schlusswort zu einer leidigen Affäre
Gestern jährte sich zum 150. Mal der Todestag Heinrich Heines. Diesen Satz hätte er auch gestern sagen können: „Religion und Heuchelei sind Zwillingsschwestern, und beide sehen sich so ähnlich, dass sie zuweilen nicht voneinander zu unterscheiden sind.“
Hilfe, die Religiösen sind los! Im so genannten Karikaturenstreit um die schlechten Witzbildchen aus Dänemark geifern sie um die Wette und geben die Opfer. Als hätte eine verschworene Koalition von Gottlosen sie mindestens seit Heines Tod hierzulande nicht zu Wort kommen lassen, moppern sie rum, blähen sich auf und beanspruchen Redezeit. Immer häufiger schicken auch die christlichen Kirchen jetzt ihre Chefideologen zum Lärmen in die Öffentlichkeit. Die islamische Konkurrenz ist groß, und jetzt gilt es, dagegen zu halten. „Alle mal herhören: Auch unsere religiösen Gefühle werden ständig verletzt! Auch unsere Stimmen werden nicht gehört! Auch wir sind beleidigt und gekränkt!“
Einer der letzten Heuchler, der seinen Neid auf den derzeitigen Branchenführer Islam nicht verheimlichen konnte, ist der Bischof von Augsburg, Walter Mixa. Trittbrettfahrer Mixa forderte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 12. Februar die Christen dazu auf, ihren Glauben mutiger zu vertreten. Als hätte ausgerechnet seine Glaubensgemeinschaft in jüngster Vergangenheit nicht jede Gelegenheit zur Verfügung gestellt bekommen, sich in diesem Land nach Lust und Laune und auf allen Kanälen gleichzeitig auszutoben; als sei die „Wir sind Papst“-Besoffenheit nicht mutig bis ins Kulturkampfblatt Bild vorgelaufen; als hätte es das Kölner Weltjugend-Woodstock mit seiner Heiligkeit Benedikt XVI. nie gegeben, beklagt der Verschwörungspraktiker Mixa, die Christen seien zu stumm geworden und hätten einen Hang zur Selbstverachtung entwickelt.
Es wäre naiv, das bischöfliche Gejammer der verschrobenen Wahrnehmung eines weltfremden Klerikers zuzuschreiben. Schließlich empfiehlt der in der Rolle des Stellvertreters aller Verfolgten auftretende Mixa seinen ihm zu friedlichen Lämmern, sich an den Protesten der Muslime ein Beispiel zu nehmen. Vom Islam lernen heißt siegen lernen. Die gewaltsamen Reaktionen auf die Karikaturen seien zwar nicht zu billigen, der Vorfall sei aber durchaus als geeigneter Anlass zu nehmen, den christlichen Glauben selbstbewusster zu vertreten.
Allüberall wittert der Bischof Respektverlust. Hinter jeder Ecke sieht er das Gespenst der Verunglimpfung religiöser Empfindungen auftauchen. Doch der Mann hat nicht Einbildung im Endstadium, er macht einfach nur seine Arbeit. Dabei bedient sich der Traditionalist ganz selbstbewusst guter, alter katholischer Methoden und stänkert schrecklich mutig gegen die Aufklärung. Die Aufklärung an sich gehöre mal wieder aufgeklärt. Aufklärung sei nur dann eine, wenn sie „Respekt vor absolut geltenden Prinzipien“ habe. Welches oberste Prinzip gemeint ist, steht ganz am Anfang des bischöflichen Aufklärungs-Aufsatzes: „Der Mensch ist … ein religiöses Wesen.“
Ich weise höflich darauf hin, dass nichtreligiöse Menschen diese absolute Behauptung als respektlose Einmischung in ihre Privatangelegenheiten betrachten könnten. Am konfessionsübergreifenden inflationären Gejammer über die „verletzten Gefühle“ will ich mich nicht beteiligen. Dieses Privileg überlasse ich gern exklusiv dem Herrn Bischof und seinen Gleichgesinnten. Mir wäre schon damit gedient, wenn die Allianz der Beleidigten auf der Achse Teheran, Damaskus, Augsburg ihre schamlosen Angriffe auf den Verstand unterließen.
Was der kluge und gar nicht gottlose Heinrich Heine zu diesem Thema gesagt hat, wurde eingangs zitiert. Heine starb 1856. Im selben Jahr wurde George Bernard Shaw geboren. Auch er kein dummer Mann: „Jeder vernünftige Verstand beginnt mit einem lebensbejahenden Atheismus. Er befreit die Seele von Aberglauben, Schrecken, Duckmäusertum, gemeiner Willfährigkeit und Heuchelei und schafft Raum für das Licht des Himmels.“ Besser kann man es zum Abschluss dieser Affäre kaum sagen. FRITZ ECKENGA