■ Hilfe, der Sakral-Pop boomt immer noch: Die neue Zeitgeistlichkeit
Hannover (dpa/taz) – Heiliger Synthie: Das neue Zeitalter legt den Rückwärtsgang ein. Nach modischem Spiel mit Kreuzen, Kerzen und Heiligen schwappt die Welle klerikaler Klischees auch auf die Musikszene über. Verpoppte Versionen mittelalterlicher Klänge schaffen immer wieder den Einstieg in die internationalen Charts. Neu arrangiert und mit dem Computer aufgemotzt, werden jahrhundertealte Kompositionen dem Gehörgang des 20. Jahrhunderts angepaßt.
Die Verkaufszahlen sagen alles: Mit sakralen Klängen beherrschte Michael Cretus Projekt „Enigma“ (Virgin) wochenlang die vorderen Plätze internationaler Musikcharts. Ähnlich erfolgreich: der Gesang spanischer Mönche oder elektronisch verarbeitete Liedversionen der vor 800 Jahren gestorbenen Nonne Hildegard von Bingen im Projekt „Vision“ (EMI).
Die Popularität klerikalen Kitsches sei schon mit Madonnas kreuz- und weihrauchüberladenen Auftritten eingeleitet worden, meint der Hamburger „Trendforscher“ Thomas Huber. Nun sei daraus gar die Suche nach einem neuen Lebensgefühl geworden. Hubers Trend-Wort zum Sonntag: „Wir wollen glauben, aber wir können nicht mehr.“ Die beiden konkurrierenden Lebensmodelle der achtziger Jahre böten jungen Menschen heute keine Perspektive: „Weder ist das von No-future- Punks prophezeite Ende eingetreten, noch hat sich der pure Materialismus der Yuppie-Szene als wahre Erfüllung herausgestellt.“
Ulrich Baß, Verleger der „Jaro Medien“ in Bremen, sieht eine Zukunft für seine sakralen Musikprojekte: „Die Menschen sind heute mit Technik überlastet und besinnen sich auf Natürliches zurück.“ Die Gesellschaft erlebe einen starken Werteschwund und flüchte daher in ein verklärtes Mittelalter. Laut Huber transportiert die starke Monotonie auf der heute exotischen Sechston-Oktave eine besondere meditative Stimmung.
Geistliche Vertreter des Sakral- Pops schließen sich an: „Die Menschen entfernen sich von der Kirche, obwohl sie auf der Suche nach einem Glauben sind“, meint Schwester Germaine Fritz, Sängerin beim „Vision“-Projekt und Ordensfrau bei den Benediktinern. „Sie sehnen sich danach, die durch zuviel Technologie, Geschäftigkeit und Karrieredenken verursachte geistige Leere in ihrem Leben wieder zu füllen“, glaubt die Nonne.
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