: Hier sägt der Champ
Teams aus über 70 Ländern pflegen sich an der Weltmeisterschaft der Waldarbeiter zu beteiligen ■ Von Thomas Meiser und Thomas Range
An der Landstraße nahe Sonsbeck steht ein forstwirtschaftliches Nutzfahrzeug. Ein junger Mann in Arbeitskleidung hat es sich auf der Fahrerseite bequem gemacht, aufmerksam liest er in einem Heft. Eine ziemlich exotische Lektüre ist das: In dem Periodikum namens Der Forstmaschinen-Profi werden beispielsweise sogenannte „Harvester“ gepriesen. „Kein schlechtes Teil“, murmelt der Arbeitsmann. Die Erntemaschinen sehen aus wie eine Kreuzung aus einem Raupenbagger und einem Kran, der auch zum Sägen dient. Auf der Lichtung eines Haines von jungen Birken sind gleich drei dieser Kraftpakete ins rechte Bild gesetzt – das Fachblatt walzt die imposante Ansicht mächtig schwer zu einem doppelseitigen Monatsposter aus.
Gerade noch hat sich Wilhelm Klompenhauer (29) in seinem grünen Kombi an der Dreieinigkeit dieser Erntemaschinen erbaut. Jetzt ist der gelernte Waldarbeiter unterwegs zu seinem Trainingsplatz: Einen Kilometer tief führt ihn der Wirtschaftsweg in den Wald. Klompenhauers Übungsstätte liegt inmitten einer Monokultur von jungen Kiefern, hier absolviert der amtierende Weltmeister im Baumfällen seine Trainingseinheiten. „Jetzt wollen wir mal wieder richtig Krach machen“, freut er sich und setzt mit der Reißleine seine sechs Kilogramm schwere Säge in Gang. Dann tritt der Weltmeister mit dem Mörderwerkzeug neben einen aufgebockten Holzstamm, um sich in der Disziplin des „Kombinationsschnitts“ zu vervollkommnen. Es gilt, oben und unten gleichmäßig ansetzend, eine flache Scheibe Holz absolut gerade abzutrennen. Hunderte von abgesägten Scheiben zwischen mannshohen Disteln in der Nähe zeugen von seinem Übungseifer. Minutiös beherrscht der Sägeprofi auch die Fertigkeiten des „Kettenwechsels“ in Sekunden und des „Präzisionsschnitts“. Hierbei ist ein Anschnitt einer Bohle zu vermeiden, die unter dem zu zersägenden Baum liegt. „Wenn ich mit der Säge den Waldboden auffräse, fliegt der mir um die Ohren“, erläutert der Forstwirt, „so soll das nicht sein.“
Als Königsdisziplin gilt den Männern mit der Motorsäge der Akt der Fällung. Da geht es dann zum Fällbestand in den Wald hinein und darum, einen Baum vermittels genauer Winkelschnitte in einer festgelegten Richtung zu Fall zu bringen. Und zwar auf den Zentimeter genau. Also legt Wilhelm Klompenhauer sein Arbeitsgerät mit den sieben PS an eine armdicke Kiefer an. Bei Vollgas jagt die Kette pro Sekunde 20 Meter übers Schwert. Das Dröhnen des 100ccm-Zweitakters ergänzt vortrefflich das Jaulcrescendo des geschundenen Baumes, während sich binnen Sekunden die Kette durch das Holz gefressen hat. Als Ergebnis sieht man aus der Entfernung, daß jede Menge Späne fliegen, bis der jetzt tote Baum zwischen den anderen sanft zu Boden fällt. Bei dem Gefällten legt Klompenhauer in Sachen Lärm noch einen Zahn zu, indem er ihn entastet. Auch sauberes „Entasten“ gehört zum Kräftemessen beim Wettsägen der Waldarbeiter.
Alle Disziplinen der Meisterschaft sind abgeleitet aus der Forstalltagsarbeit in Wald und Flur. Die Waldarbeiter-Meisterschaften dienen nämlich zuallererst der Arbeitssicherheit bei der unfallgeneigten Tätigkeit mit der Kettensäge. Deswegen sind nur Profis zugelassen. Zu ihrer eigenen Sicherheit rüsten sie sich mit Schnittschutzkleidung, Helm und Visier aus. Die Karohemdenträger freut das natürlich trotzdem, Teams aus über 70 Ländern beteiligen sich regelmäßig an dem prestigeträchtigen Wettkampf.
Aber auch jenseits von Arbeitsalltag und Berufswettkampf gibt es für den Sägewerker Tage, wo die Säge sägen will. Mit einem Kumpel aus den waldreichen Niederlanden zerstückelt er dann das Holz am laufenden Festmeter im Club der Lumberjack's Grens(z)landhoppers. Gern wird in diesen Kreisen der Umgang mit der Säge superscharf gehandhabt, Kettensägentuning ist das Ding der meistens noch zehnfingrigen Jungs: Sie spielen bei ihrer Säge am Luftfilter herum. Sie feilen ihrem Spielzeug die Zylinderköpfe ab und betanken es mit einem hochoktanigen Gemisch. Dann leistet das Schnittchen statt sieben bis zu zwanzig Pferdestärken. „Das zwar nur ein paar Minuten“, bedauert der Weltmeister. Aber solange fliegen die Fetzen.
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