Hier kocht der Chef: Gottes Killerecho
■ Abschweifende Anmerkungen zum Abschlußkonzert des Musikfestes
Arme Schweine aus Krefeld! Endlich mal live hören, was auf der CD so hervorragend kommt, und dann das! Wenn man extra aus Krefeld nach Bremen kommt und im schweinekalten Dom sitzt und vom Rücken von Garbarek nur eine verknitterte Sitzfalte sieht und ein paar Typen in bunten Hemden nölen mönchartig vor sich hin – kann man ja nicht einfach so rausgehen und sich einen Cheeseburger reinziehen.
Die guten Plätze waren wie immer von den Sackgesichtern von Buten & Binnen besetzt. Das fing also schon gut an. Doch, doch: Garbareks Pennermatte konnte ich von hinten recht ordentlich erkennen. Der Kastrat hingegen stand blöderweise die ganze Zeit hinter einer fetten Domsäule und zwitscherte im Off. Wo man doch dieses Mönchsgenöle bekanntlich nur wegen der Kastraten aufsucht! Ein Kerl neben mir kratzte sich hörbar im Schritt (Feincord!), etwas weiter kicherte eine Unreife enthemmt, und schon war weg, was ich mir vorgenommen hatte: die meditative Grundgestimmtheit. Als dann in der ersten Nölpause kein einziger Krefelder klatschte, fühlte ich mich in der Mehrheit.
Garbareks Tröte wurde erwartungsgemäß vom Killer-echo des Doms erschlagen. Doch die Mönche nölten unverdrossen weiter. Ich machte also wie ein New-Age-Routinier die Augen zu und wartete auf den Kick. Der kam nicht. Dann wartete ich auf was Ozeanisches. Kam nicht. Dann sprach ich zu Gott wie folgt: HErr, da haste tausennochwas Leute in Deinem Dom, die kommen sonst nie, also mach zu! Du hast Deine Chance! Und? Nix! Kein Fitzelchen Erleuchtung, null Verzückung.
Gott ist doch tot, brummte ich im Nebenausgang enttäuscht. Draußen traf ich lauter niesende Flüchtlinge, alle schwer gelangweilt, man ist ja dermaßen versaut, wenn man die rattenscharf abgemischte CD kennt. Mit unseren Karten ausgestattet stürzten sich ein paar Irre, die keine Tickets abgekriegt hatten, in ihr Verderben. Wir niesten im Scusi Tedesci noch ein bißchen ins Weißbier, taten uns etwas 1a digitalen Krach in die Ohren und zündeten eine Kerze an – für Krefeld. BuS
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