Heute in Bremen : „Der Druck wird immer größer“
Heute gibt’s Zeugnisse
taz: Frau Friese, Sie arbeiten seit 26 Jahren beim Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“. Laufen bei Ihnen an Zeugnistagen die Drähte heiß?
Beate Friese, Fachreferentin bei „Nummer gegen Kummer“: Schule und Noten sind bei uns das ganze Jahr ein Thema, wobei der Druck, den die Kinder und Jugendlichen spüren, im Laufe der Zeit immer größer geworden ist. Versagens- und Zukunftsängste nehmen zu. Die Anrufe häufen sich, je näher die Zeugnisse rücken, wenn die Kinder ahnen, dass das Zeugnis nicht so gut sein wird, wie sie oder die Eltern sich das erhoffen. Am Tag der Zeugnisübergabe stehen die dann mit dem Handy auf der Straße und trauen sich nicht nach Hause.
Was raten Sie denen?
Wir sprechen mit ihnen darüber, was sie selbst tun können, damit die Strafen nicht so drastisch ausfallen, wie sie leider oft zu recht befürchten. Ob es zum Beispiel jemand gibt, der ihnen zur Seite stehen kann oder wie sie den Eltern den Wind aus den Segeln nehmen können. Wenn sie etwa selbst sagen, sie sind nicht zufrieden mit den Noten, wirkt das auf Eltern ganz anders, als wenn sie sagen: „Der Lehrer ist schuld.“
Aber oft liegt es doch nicht an den Kindern.
Das stimmt, aber es geht erst einmal darum, wie sie es den Eltern sagen. Wir üben aber auch, wie sie die Unterstützung einfordern können, die sie brauchen, um ihre Leistungen zu verbessern. Das wollen viele nämlich, aber sie trauen sich nicht zu sagen, dass sie Hilfe brauchen. Viele Eltern kümmern sich nämlich das ganze Jahr nicht um die Schule und interessieren sich nur für das Zeugnis.
Bräuchten die Kinder nicht jemand, der ihnen sagt, „Noten sind nicht so wichtig“?
Das machen wir natürlich zu Beginn des Gesprächs, wenn wir die Kinder über ihre Ängste sprechen lassen. Dann sagen wir ihnen, dass ein Zeugnis nicht darüber entscheidet, ob sie ein guter oder schlechter Mensch sind. Das erzählen wir übrigens auch Erwachsenen, die bei unserem Elterntelefon anrufen und sich darüber beschweren, dass ihre Kinder zu faul sind.
Sie sind aber nicht zur Notengegnerin geworden?
Nein. Ich glaube, dass es eine Beurteilung wichtig ist, aber die sollte sehr viel differenzierter sein, Entwicklungsfortschritte dokumentieren und Stärken würdigen. Aber dazu bräuchte es mehr Lehrkräfte und kleinere Klassen. Interview: Eiken Bruhn
„Nummer gegen Kummer“: 0800-1110-333; für Eltern: -550