Heuschrecken spielen mit Wohnungen: Mieterschreck auf dem Abflug
Der Immobilien-Riese Gagfah verkauft den Großteil seines Bremer Bestandes. Der neue Eigentümer bietet die Hälfte der Wohnungen nun zum Weiterverkauf
Von zwei Drittel seines Wohnungsbestandes in Bremen hat sich Deutschlands größtes börsennotiertes Immobilienunternehmen, die Gagfah, getrennt. 1.000 Wohnungen in Horn-Lehe, Gröpelingen und der Neustadt hat die Gagfah verkauft, die mehrheitlich dem US-Investor Fortress gehört. 500 davon werden nun erneut auf dem Markt angeboten.
Übernommen hat die 1.000 Bremer Gagfah-Wohnungen die Baum-Unternehmensgruppe aus Hannover. Die baut in Bremen derzeit das ehemalige Hapag-Lloyd-Gebäude am Hauptbahnhof zu einem Hotel um, handelt mit Immobilien, ist Gestütsbetreiberin und führt 20 Filialen der Fast-Food-Kette Burger King in Norddeutschland. Geschäftsführer Gregor Baum ist Präsident des Hannoverschen Rennvereins und sitzt im Aufsichtsrat des Fußballbundesligisten Hannover 96 - als Käufer von Mietwohnungen ist das Unternehmen Branchenkennern bislang nicht aufgefallen.
Einst gehörten die Bremer Wohnungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Um die Rentenkassen aufzufüllen verkaufte die 2004 ihre Immobilientochter Gagfah für rund 3,5 Milliarden Euro an den US-Investor Fortress, eine Mischung aus Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaft. 82.000 Wohnungen wechselten den Besitzer. Mittlerweile gehören der Gagfah 165.000 Mietwohnungen bundesweit. Im großen Stil hat sie kommunale Wohnungen in Norddeutschland und Dresden aufgekauft.
Investiert wird in diesen Wohnungsbestand kaum. Seit dem Börsengang 2006 ist der Aktienkurs von 19 Euro auf sechs Euro gefallen - die Finanzkrise ist auch an der Gagfah nicht vorbei gegangen. Zum "Mieterschreck" sei sie geworden, schrieb jüngst die Financial Times Deutschland: Laufende Einnahmen werden zum Großteil an die Aktionäre ausgeschüttet, gespart wird vor allem bei Instandhaltungen und Reparaturen. Bundesweit monieren Gagfah-Mieter Mängel, seien es Platten, die von Häuserfassaden abfallen oder Schimmel an den Wänden.
Auch in Bremen warten Mieter der Gagfah darauf, dass ihre Wohnungen saniert werden. In einer Wohnanlage in der Rostocker Straße in Gröpelingen ist über die Hälfte der 130 Wohnungen mit Schimmel befallen. "Ganze Wände" seien schimmelig, die Wohnanlage "sehr vernachlässigt", sagt Quartiersmanagerin Rita Sänze. Mittlerweile kümmert sich ein Mieterprojekt um den Schimmel, finanziert durch öffentliche Mitteln aus dem Stadtentwicklungsprogramm Wohnen in Nachbarschaft. Die Gagfah hätte den Mietern für dieses Jahr eine Schimmelsanierung zugesagt, erklärt Sänze. Doch mittlerweile ist auch die Wohnanlage in der Rostocker Straße verkauft worden. Von den neuen Eigentümer, sagt Sänze, hätten die Mieter bislang nichts gehört.
Zu ihren Plänen für die neu erworbenen Bremer Wohnungen mag sich die Baum-Gruppe aus Hannover nicht äußern. Den Kauf der 1.000 Gagfah-Wohnungen hat sie gestern auf taz-Nachfrage zwar bestätigt. Darüber hinaus gibt es aber keine Stellungnahme, auch nicht zu den 500 Wohnungen, die nun erneut zum Verkauf stehen.
Bremens große Wohnungsgesellschaften geben sich bislang zurückhaltend angesichts dieses Angebots: Bei der Gewoba will man offiziell nichts von dem Wohnungspaket gehört haben, bei der Brebau winkt man ab: "Wir haben unseren Schwerpunkt derzeit im Neubau", sagt Geschäftsführer Jürgen Lüthge.
Die Gagfah besitzt in Bremen indes noch rund 500 Wohnungen. Eben so viele hatte sie 2007 von der Brebau aufgekauft - und wird sich so leicht nicht mehr von ihnen trennen können: Im Kaufvertrag hat sich die Gagfah verpflichtet, die Wohnungen 20 Jahre lang im Bestand zu halten.
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