Hessens Koalitionsfarce: SPD redet, Linke streitet
Erst mal die Basis fragen: Ypsilantis Zeitplan für die Ablösung von Roland Koch steht. Die Linke ist sich nur in einem einig - "kein Zustimmungsvieh" sein zu wollen.
FRANKFURT AM MAIN taz Der Landesvorstand der hessischen SPD verabschiedete am Mittwochabend einen Fahrplan für ein Linksbündnis im Landtag. Die Mitglieder verabredeten dabei eine Art Zuverlässigkeitshauptuntersuchung für die Linke. Auf vier Regionalkonferenzen will die Parteiführung zunächst die Stimmung an der Basis ausloten. Danach werde ein vom 13. September auf den 4. Oktober verschobener Landesparteitag eine Entscheidung zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit dem "Wunschpartner Grüne" treffen - oder auch nicht.
Nach möglichen Verhandlungen müsse dann ein weiterer Parteitag das Vertragswerk absegnen und den Weg für die Kandidatur von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin frei machen. Die "Klöße nacheinander essen, damit man sich nicht verschluckt", nannte das die Partei- und Fraktionschefin.
Aber wie die Linke, deren sechs Stimmen für die Wahl von Ypsilanti und das Regieren gebraucht werden, zuverlässig einbinden? Kriterien dafür wollen Vorstand und Parteirat auf einer Sitzung am 4. September erarbeiten. Sie wollen auch die Zuverlässigkeit der Linken prüfen.
Genau vier Tage zuvor trifft sich die hessische Linke zum Parteitag. In Lollar werden die Delegierten um Fraktionschef Will van Ooyen wohl endgültig beschließen, ob und wie sie sich auf die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung einlassen - oder auch nicht. Lollar ist ein symbolträchtiger Ort. Einst machten dort auf einem Parteitag die Grünen in Hessen den Weg frei für die erste Koalition der Ökopartei mit der SPD auf Landesebene.
Die Kakofonie ist groß bei der Linken: Während van Ooyen sich vorstellen kann, zu tragfähigen Vereinbarungen mit SPD und Grünen "bis 2013" zu kommen, sagte der hessische Linke-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke, ein früherer Aktivist der DKP, dass die Linke nur die Mitwahl von Ypsilanti zur Regierungschefin garantieren könne. Auf eine Koalition oder auch nur einen Tolerierungsvertrag will sich die Linke sowieso nicht einlassen. Man wolle "von Fall zu Fall" entscheiden, so van Ooyen. Die Linke sei nämlich "kein Zustimmungsvieh".
Die Grünen hat das alles elektrisiert. Auf ein "Himmelfahrtskommando" will sich die Partei nicht einlassen. Der avisierte Regierungswechsel drohe an der Linkspartei zu scheitern, konstatierte jetzt Parteichef Tarek Al-Wazir. Der Generalsekretär der SPD, Norbert Schmitt, erklärte mit Blick auf die Linke, dass für ein Tolerierungsbündnis "klare Vereinbarungen über wesentliche Eckpunkte der Landespolitik unverzichtbar" seien.
Schon gibt es Stimmen bei der SPD, die - mit Verweis auf die erste rot-grüne Landesregierung unter Ministerpräsident Holger Börner (SPD) - die Linke mit einem Koalitionsvertrag an die Kandare nehmen wollen. Das Prozedere sei "ergebnisoffen", wie Ypsilanti nach der Vorstandssitzung einräumte; auch wenn die große Koalition von ihr persönlich strikt abgelehnt werde. Koch hatte diese indirekt in einem Interview angesprochen. Die Rechte bei der SPD wird die Ohren gespitzt haben.
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