: Heß-Marschierer lassen Hessen weiter beben
■ Polizeipannen noch nicht geklärt /Rücktritte und FAP-Verbot gefordert
Fulda/Wiesbaden/Bonn (dpa/ taz) – Die Fuldaer Polizei darf keine Informationen mehr über Einzelheiten des umstrittenen Einsatzes beim Aufmarsch von rund 500 Neonazis geben. Der Leiter der Schutzpolizei, Günther Voß, verwies auf eine Weisung des hessischen Innenministeriums, nach der Wiesbaden für Auskünfte zuständig sei.
Unklar ist nach wie vor, wie die Einsatzleitung in Kassel die Polizei in Fulda über das bevorstehende Eintreffen der Rechtsradikalen am Samstag informierte. Auch der Zeitpunkt der Übernahme der Einsatzleitung bleibt strittig. Die SPD-Fraktion im Wiesbadener Landtag beantragte eine Sondersitzung des Innenausschusses, um die Vorgänge schnell aufzuklären.
Nach der von der Polizei geduldeten Selbstdarstellung der Neonazis auf dem Fuldaer Domplatz forderte der FDP-Innenpolitiker Burkhard Hirsch den Rücktritt des Polizeichefs und des – an der Misere wohl wirklich unschuldigen – Oberbürgermeisters der Stadt. Im Südwestfunk sagte Hirsch, Fulda stelle den Tiefpunkt einer Entwicklung dar, die den Rechtsradikalen immer mehr Zulauf beschere. Es gebe „Bürger, Beamte, Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, die das nicht als richtige Gefahr erkennen“. Während auf der linken Seite des politischen Spektrums Abwehrreaktionen sofort aufträten, meinten viele Bürger bei den Rechten, es handle sich um junge Leute, die „sind so etwas fehlgeleitet, das wird sich schon auswachsen“. In Fulda habe man, so Hirsch – den scheinbar geordneten Auftritt der Neonazis – „keine Scheiben einwerfen, keinen Unrat hinterlassen“ – und das offene Zeigen von faschistischen Symbolen geduldet. Dadurch habe man den Eindruck einer „kraftlosen Demokratie“ vermittelt. „Das ist das Erschreckende.“
Die Grünen haben ein Verbot der FAP gefordert, deren Aktivisten die Neo-Nazi-Kundgebung organisiert hatten. Die „Feindbilder in den Köpfen der Polizisten“ müßten sich ändern. Das Nichteinschreiten der Polizei in Fulda bei Straftaten müsse auch Konsequenzen für einzelne Beamte haben, meinte Manfred Such von der Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten. Diese könnten sich nicht einfach auf Anweisungen ihrer Führung berufen.
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