Hertha BSC: Noch drei Siege bis zum Titel
Nach dem 2:0 gegen Bochum ist Hertha bis an einen Zähler an den Tabellenführer Wolfsburg herangerückt. Während die Fans von der Meisterschaft träumen, bangt Trainer Favre um den Uefa-Cup.
Hätte ein Papagei im Presseraum des Olympiastadions sein Zuhause, würde er mittlerweile gewiss das Wort "Meisterschaft" krächzen können. Zu gern wird dieses Reizwort hier in die Runde geworfen. Die Lippen von Hertha-Trainer Lucien Favre weigerten sich aber auch nach dem 2:0-Sieg gegen den VfL Bochum, diese Laute zu formen. Obwohl die Berliner kurz vor Ultimo nur noch ein Pünktchen vom Tabellenthron trennt, sprach Favre wie stets, um nicht papageienhaft zu sagen, vom Ziel Uefa-Cup.
Favre ist sehr wohl etwasunsicher, ob er im euphorisierten Berliner Umfeld überhaupt noch ernst genommen wird. Fast ein wenig verzweifelt deutete er währenddessen mit dem Zeigefinger auf den Tabellenausdruck, der vor ihm lag. Wenige Minuten zuvor hatte er nach Kenntnisnahme der anderen Resultate seine Backen aufgeblasen und den Kopf geschüttelt.
Trotz der guten Ergebnisse, die Hertha neuerdings wieder in Serie erzielt, und der besonderen Nähe zum größtmöglichen Erfolg kann drei Spieltage vor dem Saisonende nicht einmal die Uefa-Cup-Qualifikation als gesichert gelten. Die Verfolger gewinnen ebenso unentwegt. Der Tabellensechste liegt nur vier Punkte zurück.
Während die Fans auf den Rängen die historische Chance beschwören, erblickt Favre vor allem die Gefahren. "Wir haben noch nichts erreicht", sagt er immer wieder. Wie sehr das inzwischen an Favre zehrt, konnte man am Samstag beobachten. In den Schlussminuten gestikulierte er bangend direkt am Spielfeldrand, als könne sich die 2:0 Führung in Sekundenschnelle verflüchtigen. Dabei war es schon eine gefühlte Ewigkeit her, dass die Bochumer zum ersten und einzigen Mal in dieser Partie das Berliner Tor gefährlich bedrängten. Jaroslav Drobny musste in der 15. Minute einen harten Schuss von Philipp Bönig parieren und hatte damit sein Tagewerk schon verrichtet.
Die Gäste agierten an diesem Tage so, als sei Fußball ausschließlich eine Verteidigungssportart. Sie traten mit einer Fünferkette in der Defensive an, was die Berliner überraschte, wie Favre zugab. Viele Berliner Fans hatten sich vom Zusammenspiel der Stürmer Marko Pantelic und Andrej Voronin, der nach Ablauf seiner dreiwöchigen Sperre wieder antreten konnte, einen besonderen Zauber versprochen. Es gab aber kaum ein Durchkommen. Dass es Hertha dennoch gelang, derart überzeugte Interpreten des Catenaccio-Fußballs auszukontern, kann man wahrlich als meisterliche Leistung bezeichnen.
Man musste sich zwar bis zur 39. Minute gedulden, bis sich Bochum einmal weit in die andere Hälfte vorwagte, doch dann ging es schnell: Lukasz Piszczek bediente Voronin mit einem weiten Pass, der nach schönem Zusammenspiel mit Ebert und Pantelic noch am Gästetorwart scheiterte. Den abgeprallten Ball schlug dann Ebert hoch auf Pantelic, der mit dem Kopf die Führung erzielte. Der zweite Treffer entsprang dem zweiten schnellen Gegenangriff (50.). Eingeleitet wieder von Piszczek, perfekt vollendet von Raffael. Da war sie wieder, die inzwischen berüchtigte Kaltblütigkeit der Herthaner.
Die La-Ola-Welle setzte sich im Stadionrund durch, und die 71.233 Zuschauer besangen ihre Titelträume. So viel Publikum gegen die biederen Bochumer - das kann man als bestandenen Test der Nachhaltigkeit der Berliner Euphorie bewerten. Selbst der nüchterne Favre ließ sich zu den Worten hinreißen: "Das war super."
Und die Meisterschaft? Manager Dieter Hoeneß sagt: "Wenn du die restlichen drei Spiele gewinnst, bist du durch." Er erklärte, dass man natürlich das Maximale erreichen wolle. Man habe mit Köln, Schalke und Karlsruhe das leichteste Restprogramm. Allerdings warnte er auch: "Hochrechnungen machen keine Sinn. Es macht Sinn, das nächste Spiel zu gewinnen." Das wird am Dienstagabend in Köln angepfiffen.
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