Hertha BSC besiegt Karlsruher SC: Spiel der unbegrenzten Möglichkeiten
Nur mit viel Glück kann Hertha gegen den Karlsruher SC 3:1 gewinnen. Die Nachlässigkeit beider Abwehrreihen garantiert ein unterhaltsame Partie, an deren Ende es auch 8:8 hätte stehen können.
![](https://taz.de/picture/391429/14/pantelic_dap.jpg)
Hertha BSC - Karlsruher SC 3:1 (2:0)
Aufstellung: Drobny, Friedrich, Simunic, von Bergen, Chahed, Mineiro, Kacar, Ebert (56. Skacel), Raffael, Piszczek (88. Lustenberger), Pantelic (81. Dardai)
Zuschauer: 49.595
Tore: 1:0 Kacar (25.), 2:0 Pantelic (31.), 2:1 Kapllani (53.), 3:1 Skacel (87.)
Gelbe Karten: Simunic (7), Kacar (3) / Eichner (4), Buck (2)
Zitat des Tages: "Das Ziel für dieses Jahr ist erreicht. Es fehlen nur ein paar Punkte." (Hertha-Manager Dieter Hoeneß)
Das sorgte dann doch für Verwunderung. Dieter Hoeneß erklärte am Samstagabend, man könne nun mit gemäßigtem Optimismus in die kommende Saison gehen. Seinen Optimismus kennt man ja, aber was bedeutete denn dieses einschränkende Wort "gemäßigt"? Hatte der Hertha-Manager nach den acht sieglosen Begegnungen zuvor eine klammheimliche Kurskorrektur vorgenommen? Also doch keinen Uefa-Cup-Platz im nächsten Jahr? Und was ist mit der Champions League in der übernächsten Spielzeit? Hoeneß beschwichtigte. Die Eckpfeiler der Vereinsagenda 2010 bleiben bestehen. Nur: "Nach dem Spiel heute kann man doch nicht in Euphorie ausbrechen. Das wäre nicht authentisch."
Beim 3:1-Sieg über den Karlsruher SC, der den Klassenerhalt nahezu garantiert, war den Berlinern das Schicksal wohl äußerst wohl gesonnen. Das sogenannte Glück wurde zum Leitbegriff aller Spielanalysen. Im Unterschied zum angesäuerten Trainer Lucien Favre ("So kann man keinen Fußball spielen") konnte Hoeneß das Glück jedoch genießen.
Manchmal reagiert der 55-Jährige ja recht emotional, weshalb gerade nach schlechten Leistungen Fragen meist sehr behutsam formuliert werden. "Kann Steve von Bergen auf der ungewohnten Position des linken Verteidigers auch besser spielen?", wollte jemand am Samstag wissen. Da musste Hoeneß herzhaft lachen. Ein gelungener Witz, schien er zu denken, um dann doch ernsthaft zu antworten: "Natürlich."
Dabei war von Bergen nur ein Beispiel unter vielen. Die Liste der Spieler, die durch Nachlässigkeiten auffielen, hätte man beliebig erweitern können - auch auf Karlsruher Seite. So entwickelte sich ein Spiel der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten. "In den ersten Minuten hätten wir durchaus mit 2:0 in Rückstand geraten können", bemerkte Hoeneß zu den gravierenden Fehleinschätzungen seiner Abwehr in der Anfangsphase. Stattdessen führte Hertha jedoch 2:0. Erst profitierte Gojko Kacar in der 25. Minute von einem krassen Fehler des KSC-Torwarts Markus Miller. Kurz darauf brachte Raffael nach einem gegnerischen Abspielfehler eine schöne Kombination auf den Weg, die Marko Pantelic auf Zuspiel von Patrick Ebert erfolgreich vollendete.
Dann, so Hoeneß erneut im Konjunktiv, wären genügend Chancen für ein drittes und viertes Hertha-Tor vorhanden gewesen. Stattdessen erzielte der KSC das Anschlusstor. Die Berliner überließen den Karlsruhern nun die Regie. Und den Gästen boten sich in der Folgezeit wiederum genügend Gelegenheiten, das Spiel zu wenden. Und so weiter und so fort. Schlussendlich hätte das Spiel in der Zusammenführung von Theorie und Praxis 8:8 enden müssen. Mindestens.
Derart luftig sind Abwehrreihen eigentlich nur aufgestellt, wenn der Ausgang eines Spiels nicht von allzu großem Belang ist. Kapitän Arne Friedrich aber machte dafür die Nervosität seines Teams verantwortlich: "Man hat gemerkt, dass wir noch nach unten schielen mussten." Manager Hoeneß dagegen versicherte, die zuvor rechnerisch bestehende Abstiegsgefahr sei für Hertha nie ein ernsthaftes Thema gewesen. Demgemäß attestierte er der Mannschaft, sie habe "Sommerfußball" gespielt.
Auch für die Hertha-Anhänger schien der Abstieg keine wirkliche Bedrohung zu sein. Sie widmeten sich mit Sprechchören vornehmlich der Pflege der jahrelang bestehenden Fanfreundschaft mit den Karlsruhern. Als diesen von Stadionordnern eine unangemeldete Choreografie untersagt wurde, verließen aus Solidaritätsgründen etwa 400 Hertha-Fans der Ultra-Gruppierung geschlossen den Zuschauerblock. Da stand es noch 0:0. "Es war eine komische Stimmung im Stadion", wie Hoeneß befand. Er wusste jedoch nicht, dass sich der Mob auf der Rückseite der Haupttribüne versammelte und skandierte: "Holt den Hoeneß raus!" Eine weitere Episode vom Spiel der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten. Erst zur zweiten Halbzeit kehrten die streikenden Hertha-Fans, durch die Führung ihrer Mannschaft besänftigt, auf ihre Plätze zurück.
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