■ Herr Hefele kriegt zwei Minuten: Täterä und Doping, Elferrat und IOC: Wo - brech! - bleibt denn da der Frohsinn?
Soll ich mich mal hinsichtlich Karneval outen? Das letzte Mal war ich vor zirka 35 Jahren verkleidet. Ich ging seinerzeit als eine Art Musketier. Blauseidener Umhang mit weißem Kreuz, Gummistiefel und großer Filzhut mit Feder. Dazu ein rotes Gummischwert, das, sobald ich es mit elan aus der gelben Kunststoffscheide riß, blamabel umknickte. Mit dem Schminkstift meiner Schwester hatte ich mir ein Menjou-Bärtchen angemalt (damals wußte ich noch nicht, daß es Menjou-Bärtchen heißt).
Das alles hätte sicher irgendwas zu bedeuten, und ein psychologisch geschulter Mensch könnte das eine oder andere dazu sagen. Wahrscheinlich geht es in Richtung „frühes Machogehabe und hat was mit „Penissymbol“ (Schwert) zu tun. Sei es wie es will, sicher ist nur: Die Musketier-Verkleidung war mein einziger Karnevalsauftritt.
Vielleicht stimmt was nicht mit mir; große Aufläufe zum Zwecke gemeinsam gestalteten Frohsinns finde ich jedenfalls – milde formuliert – überflüssig. Und die zur Zeit mit beispielloser Impertinenz im Fernsehen laufenden Täterä-Sitzungen derer von Schmierlapp und Sabberbart bereiten mir regelrechten Brechreiz! Sie wissen schon, wer gemeint ist – oder muß ich deutlicher werden?
Es geht natürlich um die allzeit frohen und wild um sich winkenden, kasperlhütigen, strahlenden Helden der gesammelten Elferräte! Sind sie nicht zum Prügeln? Wie sie mit trübem Blick hinter der Festtafel kleben und gutonkelhaft speichelnd die Spagate der braven Funkenmariechen allzeit lobend benicken...
Man muß sich zweierlei fragen: Sind die wirklich alle so unappetitlich, wie sie aussehen? Und: Was hat dieses Thema mit einer Sportkolumne zu tun? Antworten: Erstens: Vermutlich ja, sonst würden sie nicht ihre Zeit mit solchem Mist vertrödeln. Und zweitens: Diese Elferräte erinnern auf frappante Weise an die in letzter Zeit zuhauf in allen möglichen Zeitschriften abgebildeten IOC-Symposien.
Große Prunksitzung mit den Hütern des olympischen Grals und als Sitzungspräsident der vorwurfsvoll die Augenbrauen lüpfende Juan Antonio Samaranch: Wo bleibt der Frohsinn? Gell, da müssen Sie mir zustimmen? Nein, bei den Karnevalisten ist es auch nicht lustiger. In beiden Gremien waltet zu allererst und in vorderster Front der Bierernst. Oder will hier jemand, so er noch bei Verstand ist, behaupten, eine Faschingssitzung sei tatsächlich lustig? Verein ist nicht lustig. Sei's Obst- und Gartenbau, sei's Karneval, sei's IOC.
Der Verein ist immer eine Ansammlung von eigentlichen Bürgermeistern, Filialleitern oder Millionären, die unbedingt auch noch eine andere Identität leben möchten. Um Großes zu tun, zum Wohle der Allgemeinheit, und um empört die Backen aufblasen zu können: „Sonst macht's ja keiner!“ Ob Stupfzwiebel, Rumtatä oder Antidoping, auf dem Podest spreizt sich der immer gleiche Typus. In hohem Maße zur Selbstdarstellung neigend und mit dem dezenten Hang versehen, zumindest ein klein bißchen abzuräumen, wenn es sich so ergibt. Für all die Mühe, die man sich schließlich macht. Für all die stundenlangen Vorträge alter Männer, die partout nicht in Rente gegen wollen und denen sonst keiner zuhören würde. Zugegeben: Die Olympier haben es dabei etwas schwerer, weil es nicht um Apfelsorten und Pappnasen, sondern um Moral und Anstand geht, „alle Menschen werden Brüder“ und so.
Ein ziemlich glattes Parkett. Da kann man schon mal ausgleiten und unelegant und mit einigem Getöse im Porzellan landen. Überbewerten wollen wir das alles aber nicht, weil – wer hätte im Ernst etwas anderes erwartet? Und: Selbst wenn das gesamte IOC ausgewechselt würde – die Neuen würden zügig an der Tafel Platz nehmen und wären unter Garantie kein Jota anders. Spitzenkräfte wie Samaranch hätten außerdem sofort wieder einen anderen Verein. Zur Not auch Obst- und Gartenbau. Hauptsache, es gibt einen langen Tisch, hinter dem man sitzen und vorwurfsvoll die Augenbrauen hochziehen kann.
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