Heroischer Schlachtenfilm "John Rabe": Schutz unterm Hakenkreuz
John Rabe rettete als Geschäftsführer von Siemens in China während des Zweiten Weltkriegs Tausenden Zivilisten das Leben. Rabes weiteres Schicksal lässt der Film allerdings aus.
In jeden großzügig budgetierten Film über die Kriege des 20. Jahrhunderts gehört eine Einstellung hinein, in der eine Stadt und ihre Bewohner aus der Luft bombardiert werden. Am Boden rennen alle zwischen explodierenden Feuerbällen und umherfliegenden Trümmerteilen um ihr Leben, von oben gesehen ist das Ganze eher ein beschauliches Spiel der Lichter. Für die, die unten sind, ist eigentlich keine Rettung zu erhoffen. Aber in "John Rabe" bleibt ein Fleck vom Bombardement der japanischen Kampfpiloten verschont. Auf einem Fabrikgelände ist eine riesige rot-weiß-schwarze Hakenkreuzfahne wie ein Zeltdach aufgespannt. Darunter kauern hunderte Chinesen, in der Hoffnung, dass die Japaner es nicht wagen, das Symbol ihrer deutschen Verbündeten in Fetzen zu legen. Der dünne Stoff schützt sie besser als Stein und Mörtel.
Die Begebenheit ist historisch verbürgt. John Rabe, deutscher Geschäftsführer von Siemens in China in der damaligen Hauptstadt Nanking, schrieb dazu später in sein Tagebuch: "Dieser Platz gilt als bombensicher." In ihr wird die Paradoxie der Ereignisse auf den Punkt gebracht: Als im Dezember 1937 die kaiserliche japanische Armee China überrollt und in Nanking ein Massaker anrichtet, wird ausgerechnet ein NSDAP-Mitglied und Hitler-Anhänger zur größten Hoffnung für Tausende von Einwohnern.
In Florian Gallenbergers Film spielt Ulrich Tukur diesen Rabe als Herrenmensch mit einem Gewissen. Er ist Parteimitglied, ohne fanatisch zu sein, er glaubt an den Führer, aber die Firma liegt ihm näher. Chinesen muss man mit strenger Hand erziehen, dann können sie gute Arbeiter werden. Die Aufgabe, in Nanking eine Schutzzone für die Zivilbevölkerung einzurichten, nimmt er nur unter Druck an, aber er erfüllt sie mit deutscher Gründlichkeit und einem großen Herzen. Mehr als 200.000 Menschen finden während des Angriffs in der Schutzzone Zuflucht.
Dass Rabe nach seiner Rückkehr 1938 nach Deutschland von der Gestapo kurzzeitig als Kollaborateur der Chinesen verhaftet wurde und im Dritten Reich in Ungnade fiel, erwähnt der Film nur im Abspann. Weil Gallenberger sich entschieden hat, Rabes Leben als heroischen Schlachtenfilm zu erzählen, muss er sein weiteres Schicksal in seiner Heimat auslassen. So bleibt der Vergleich mit "Schindlers Liste" müßig, Gallenberger folgt eher der Dramaturgie von Nicholas Rays "55 Tage in Peking". Schindler musste mit den Nazis ein doppeltes Spiel spielen, Rabe konnte sich, im fernen China, den Glauben an Führer und Partei erhalten. Der eigentliche Konflikt im Leben John Rabes bleibt im Film ausgespart.
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