piwik no script img

Hermlin bittet um Geduld mit DDR

■ Der Schriftsteller sieht sein Land in einer „Phase der Ablösung“ / Abrüstungskonferenz in Ost-Berlin fortgesetzt / Schwede abgereist Bahr protestiert gegen Übergriffe auf Journalisten

Ost-Berlin (ap/dpa) - Der DDR-Schriftsteller Stephan Hermlin hat am Rande der Abrüstungskonferenz für atomwaffenfreie Zonen in Ost-Berlin den Westen zu mehr Geduld bei der „Ausweitung der Demokratie“ in seinem Land aufgefordert. In einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk sagte Hermlin am Dienstag: „Ich glaube, man sollte der DDR auf diesem Gebiet für ein bis zwei Jahre Kredit geben.“ Hermlin, der auch im Westen als Buchautor bekannt ist, gehört zu den offiziellen Teilnehmern der Konferenz, an der seit Montag mehr als 1.000 Politiker, Wissenschaftler und Künstler aus über 110 Ländern teilnehmen. Er sagte: „Die DDR befindet sich in einer schwierigen Phase der Ablösung.“ Dabei gehe es nicht nur um „eine oder zwei Personen, sondern um mehr“. Es sei klar, daß in einer „solchen schwierigen Phase die Tendenzen für Offenlegung und Ausweitung der Demokratie behindert“ seien.

Für die DDR ist nach Meinung Hermlins gerade die „Frage des inneren Friedens“ wichtig. An die Adresse des Westens fügte der Schriftsteller hinzu, man solle nicht so tun, als sei die DDR ein „zweites Südafrika oder ein zweites Chile“. Der Schriftsteller räumte ein: „Es gibt Probleme, ja.“ Aber die müßten „im Zusammenhang mit der Phase der Ablösung gesehen“ und dürften nicht dramatasiert werden.

Am zweiten Tag der Konferenz reiste der Vertreter der in Schweden regierenden Sozialdemokraten, Sture Ericsson, aus Protest vorzeitig ab. Nach Angaben der schwedischen Botschaft in Ost-Berlin hatte sich die DDR als Veranstalter der Tagung am Montag geweigert, Ericsson auf die Rednerliste zu setzen. Er hatte in seiner Ansprache vor dem Plenum auch auf die Berliner Mauer eingehen wollen.

Der SPD-Abrüstungsexperte Egon Bahr hat Rande der Konferenz bei DDR-Vertretern die Vorfälle und Journalisten -Behinderungen vor dem Brandenburger Tor angesprochen. Dies sei „auf angemessener politischer Ebene erfolgt“, sagte Bahr am Dienstag auf die Frage nach seinen Gesprächspartnern. Er hoffe bald auf eine klärende Darstellung von DDR-Seite. Die DDR-Medien haben inzwischen ARD und ZDF vorgeworfen, Feindbilder zu schüren. Der berichtete Einsatz von Elektrisiergeräten sei „hanebüchener Unsinn“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen