: Henning Scholz
■ 20 Jahre Pressefotografie für die taz hamburg
Was passiert eigentlich, wenn die Bilder eines eingefleischten Bildjournalisten plötzlich an einer weißen Wand in einer Galerie hängen? Erst einmal verweisen sie auf Ereignisse und wecken Erinnerungen an Sturmfluten und Demons-trationen. Aber dann sind es eben auch autonome Bilder, ohne den Zusammenhang des Zeitungstextes zum Tagesgeschehen in dem sie einst standen. Denn die Bilder stammen von Henning Scholz (Foto) , einem der beiden Fotografen der taz hamburg.
Es ist die besondere Qualität des Bildjournalisten, das Wesentliche im Bruchteil einer Sekunde zu erfassen und so der Realität ein Symbol abzuluchsen. Aber man braucht auch die Geduld, zu warten, bis diese Sekunde kommt. Gegen die Bebauung des Alto-naer Jüdischen Friedhofs mit dem Konsumtempel Mercado demonstrierende orthodoxe Juden und findlingsbergendeBagger auf der El-be, bei der Trauerkundgebung nach dem Terroranschlag in Mölln wütend weinende Türkinnen und Stacheldraht am Abschiebeknast – um aus solchen Situationen gute Fotos zu gewinnen, braucht es eine besondere Fähigkeit, etwas ins Bild zu setzen. Denn schließlich kann ein Journalist während des Ortstermins kaum Objekte oder Personen aktiv arrangieren, und der Amtseid von Bürgermeister Runde wird auch für die Fotografen nicht wiederholt.
Henning Scholz hebt sich von der Oberflächlichkeit einer stets hektischen Reporter-Szene wohltuend ab. Einige der hier gezeigten Porträts scheinen auf längere Beobachtung zurückzugehen und sind besonders eindrucksvoll: So der Schriftsteller und Zeitzeuge Arie Goral-Sternheim im taz-Gespräch, der Altpöseldorfer Schuster Hauswald kurz vor seiner Vertreibung aus der Milchstraße oder Abatonchef Werner Grassmann inmitten leerer Stuhlreihen. Sehr gelungen ist auch das Bild von Beton-Eugen, durch die Röhre gesehen, ein gültiger Schnappschuss von jenem Bausenator Wagner, der genauso lange regiert hat, wie die taz alt ist.
Nicht die zufällige Anwesenheit an einem Ereignisort oder gar der bloße Arbeitsvertrag macht einen Knipser zu einem Fotografen: Denn vor aller Technik ist die Fähigkeit entscheidend, eine Situation zu einem Bild zu verdichten. Im journalistischen Alltag müssen sogar manchmal zu einem trockenen Text Fotos neu arrangiert werden. Und solch ein allegorischer Blick mag dann auch andere Beiläufigkeiten bildwürdig machen: So hat Henning Scholz das Gerümpel in Keller und Dachboden des Hamburger Museums für Völkerkunde im Kameraausschnitt zu anrührenden Stillleben gestaltet. Trotz des auf die Pressefotografie verweisenden Titels verzichtet diese Jubiläumsausstellung dabei ganz auf die heute üblichen Computertricks. Die einzigen Manipulationen an den schwarz-weiß gehaltenen Bildern sind klassische Dunkelkammerarbeit zur Optimierung des Ausschnitts und der Grautöne. Denn jenes schwer zu definierende Mehr, das Grund ist, diese Bilder länger als lediglich in der Zeitung zu betrachten, ist ganz ohne zusätzlichen Aufwand doch nicht zu haben. Hajo Schiff
Henning Scholz – 20 Jahre Pressefotografie taz hamburg; Galerie Thomas Gehrke, Martin-Luther-Straße 21; Mi–Fr 12–18, Sa 12 –14; bis 5. Januar 2002
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