: “Hemelingen für eine Mark an Mercedes“
■ Anwohnerversammlung mit Beirat einig: Nicht noch mehr Gewerbe nach Hemelingen
Das Thema verhieß Bedeutendes:“Städtebauliche Zukunft des Stadtteils Hemelingen“. Und viele AnwohnerInnen waren der Einladung des Beirates gefolgt. Denn die Hemelinger quält nicht nur der durch die Industrieansiedlungen verursachte Verkehr, aufgeschreckt sind sie auch durch die neuesten Senatsbeschlüsse zur Ausweisung der Hemelinger Marsch als Gewerbegebiet und die Bebauung der Osterholzer Feldmark. Nicht erschienen waren Bausenator Konrad Kunick und Umweltsenatorin Eva Lemke-Schulte. Sie hatten mit Senatsdirektor Manfred Osthaus und dem Leiter des Amtes für ökologische Stadtentwicklung, Sunke Herlyn, die zweite Garnitur geschickt.
Osthaus bot noch einmal wie Sauerbier den Hemelinger Tunnel an, wohlwissend, daß dieser Tunnel erstens politisch längst begraben und zweitens bei den HemelingerInnen zu den Akten gelegt ist. Neue einschneidende Verbesserungen der Verkehrssituation hatte er immer noch nicht zu bieten. Und die von ihm angekündigten kurzfristigen Maßnahmen wie die Einrichtung einer Ampel an der Schlengstraße, eine Linksabbiegerspur von der Christernstraße in Richtung Funkschneise sowie die teilweise Verlagerung des Mercedes-Werksverkehrs auf die Schiene fanden die HemelingerInnen eher erheiternd.
Ein „Gewerbegebiet vom Feinsten“ versuchte Herlyn trotz eigener „Bauchschmerzen“ schmackhaft zu machen. Mit der Formel von einer „ökologischen Gewerbeplanung“ schwenkten auch prominente Hemelinger Sozialdemokratinnen wie Tine Wischer auf Senatslinie ein. Vordringliches Argument: die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Was die AnwohnerInnen von alle dem hielten, machten sie durch Zwischenrufe deutlich: „Gewerbegebiet nach Oberneuland“ wurde gefordert oder: Mercedes solle doch Hemelingen für die Neue-Heimat-Bankrott- Summe von einer Mark aufkaufen, „dann stehen wir uns besser als bei der Stadt“. Der Beirat bekräftigte seinen Beschluß gegen das Gewerbegebiet Hemelinger Marsch und gegen die Bebauung der Osterholzer Feldmark. „Aber“, so Beiratssprecher Schuster“, der Beirat allein kann gegen den Senat nichts ausrichten. Dazu brauchen wir Eure Unterstützung.“ Akklamation.
Eine Annäherung zwischen Senatsvertretern und Publikum brachte die Vision von der Auslagerung der Probleme des vom Flächenausverkauf bedrohten kleinsten Bundeslandes nach Niedersachsen. Herlyn konnte melden, daß im Januar ein Verbund für gemeinsame Landschaftsplanung mit den rot-grünen Nachbarn gegründet werden soll.
Erstaunlich gut kam „Oberpinsler“ Klaus Hinte vom Stadt- und Polizeiamt beim Publikum an. Nur wenige äußerten Ärger über Straffierung und mangelnde Abbiegemöglichkeiten. Hintes grundlegendes Bekenntnis zur Begrenzung des Individualverkehrs wurde von den meisten beklatscht. Laut Hinte ist „von der Mercedes-Chef-Etage in Stuttgart“ Bereitschaft zum Umstieg auf den ÖPNV signalisiert worden. Zum Ausbau der Linie Drei bis Mahndorf: „Darüber werde ich wohl in Rente gehen.“ Annemarie Struß-von Poellnitz“
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