: Heiße Rhythmen, dunkle Wolken
■ Eindrücke vom Auftakt des Worldmusic-Festivals in Soltau / Von panarabischem Swing bis „Mulatto-music“
Die Wolken hingen tief am Freitag. Der Wind wehte kühl. Nicht gerade die besten Bedingungen für ein Open Air-Festival; vor allem für eines mit Musik aus vorwiegend heißen Gegenden.
So waren am frühen Freitagabend fast mehr Stände als BesucherInnen auf dem riesigen Festivalgelände, als Hossam Ramzy and Friends aus Ägypten ihren panarabischen Swing ertönen ließen. Der Schlagzeuger und Perkussionist Hossam Ramzy verschmilzt Melodien und Rhythmen aus dem gesamten arabischen Raum mit jazzorientierten Bläsersätzen — Resultat: anspruchsvolle Tanzmusik mit starker perkussiver Grundlage. Eine Musik die zwar nicht die Wolken vertreiben konnte, aber sie zeitweise vergessen machte.
Heiße Rhythmen ganz anderer Art boten anschließend Kid Creole & The Coconuts. Zwar hatte August Darnell alias „Kid Creole“ nicht seinen ganzen Bläsersatz mitgebracht, aber die dreizehnköpfige Truppe aus New York heizte auch so mit ihrer Melange aus karibischen Rhythmen, Funk und Disco der frühen 70er ordentlich ein. Kid Creole, in weißem Zoot Suit und mit Panama-Hut, nennt das „Mulatto music“. Die inzwischen größer gewordene Menge vor der Bühne ließ sich nicht lange bitten und tanzte sich die klammen Glieder warm. Dazu ist der scharf gewürzte creolische Funk auch bestens geeignet.
Der Auftritt von Miriam Makeba ließ dann etwas auf sich warten, aber es lohnte natürlich.
Zuvor verlas der niedersächsische Bundesratsminister Jürgen Trittin noch Auszüge aus einer Erklärung gegen Ausländerfeindlichkeit, mit der die VeranstalterInnen und KünstlerInnen des Festivals gegen den grassierenden Rassismus in Deutschland Stellung bezogen.
Eine traurige Notwendigkeit heutzutage, die zudem noch zu dem Auftritt Miriam Makebas paßte. Schließlich mußte die Grand Old Lady der afrikanischen Popmusik mehr als dreißig Jahre ihres Lebens außerhalb der südafrikanischen Heimat im Exil verbringen, weil sie entschiedene Apartheid-Gegnerin war und ist.
Diese Erfahrung ist nach wie vor in ihrem Repertoire präsent. Ob im „Soweto-Blues“, einem Song aus der Feder Hugh Masekelas zum Gedenken an den SchülerInnen-Aufstand 1976 in Soweto, oder in dem Lied „A luta continua“, das die Befreiung Mocambiques von der Kolonialherrschaft feiert: Sie ist ihren Vorstellungen von einem einigen und befreiten Afrika treu geblieben. Mit ihrem Charme und der leicht brüchigen, dennoch kraftvollen Stimme, nahm sie das Publikum schnell gefangen. Ihr Auftritt wärmte das Herz und ließ das widrige Wetter endgültig vergessen.
Spätestens mit ihrer Zugabe „unify us, don't divide us“, einem ergreifenden musikalischen Plädoyer gegen Nationalismus und Bürgerkrieg, wurde sie zum Höhepunkt des Festivals. Den folgenden Auftritt des Afro Bloco „Olodum“ aus Bahia, der weit nach Mitternacht auftrat, konnte die RezensentIn leider nicht mehr miterleben, sondern mußte nach Hause fahren.
Farina
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen