piwik no script img

Heirat zwischen Vikarin und MuslimDas Kreuz mit dem Pfarrerdienstgesetz

Weil sie einen Muslim heiratete, musste die Vikarin Carmen Häcker gehen. Nun diskutieren die evangelischen Landeskirchen, ob Pfarrer heiraten dürfen, wen sie wollen.

Findet die evangelische Kirche auch Platz für einen muslimischen Pfarrerinenmann? Bild: dpa

BERLIN taz | Evangelisch ist gewünscht, doch christlich ist Pflicht. Oder die Ehe im Pfarrhaus wird zum Kündigungsgrund, wie Carmen Häcker erfahren musste. Die württembergische Landeskirche hatte die Vikarin im Oktober aus dem Dienst entlassen, weil sie ihren muslimischen Freund geheiratet hatte. Nun diskutieren die Kirchenmitglieder bundesweit, wie frei evangelische Pfarrer in ihrer Partnerwahl sind.

Seit einem Jahr heißt es im Paragrafen 39 des Pfarrerdienstgesetzes der EKD: Ehepartner von evangelischen Pfarrern müssen christlich sein.

"Die Regelung passt nicht zu einer modernen Kirche", meint Martin Plümicke vom württembergischen Gesprächskreis "Offene Kirche". Die Gesellschaft sei multireligiöser geworden, die Vorschrift entstamme aber einer Zeit, in der nur Christen im Blick waren. Auch der Berliner Theologieprofessor Wilhelm Gräb hat die Entlassung der evangelischen Vikarin und ihren Ausschluss vom Pfarrdienst kritisiert. Als Pfarrerin hätte die Frau auch in der Öffentlichkeit zur Begegnung zwischen den "sich immer näher rückenden Religionen" beitragen können, schreibt Gräb in der Berliner Wochenzeitung Die Kirche.

Pfarrervertretung kritisiert Konfliktlösung

Die württembergische Kirche selbst sieht darin keine Absage an den interreligiösen Dialog. "Es gibt keine Angst vor dem Fremden, und es ist kein Signal gegen gesellschaftliche Entwicklungen", betont Sprecher Oliver Hoesch. Dennoch komme dem "Kernteam" im Pfarrhaus eine zentrale Funktion in der Gemeinde zu: "Deshalb sollte eine Pfarrerehe nicht in interreligiöse Zerreißproben geraten." Der Vorsitzende des Berufsverbandes der evangelischen Pfarrer, Thomas Jakubowski, erklärt, hinter dem Paragrafen stehe ein "bestimmtes Pfarrerbild, das in vielen Gemeinden gewünscht ist".

Die regionale Pfarrervertretung in Württemberg (VUV) hat jedoch in ihrer Herbstvollversammlung deutlich gemacht: Mit "Unverständnis und Erschrecken" nehme man die Kommunikation in der Konfliktlösung zur Kenntnis.Tatsächlich ist die Verpflichtung der Pfarrer auf einen christlichen Ehepartner nicht neu, erklärt Kirchenrechtsexperte Heinrich de Wall. Die Gliedkirchen der EKD hätten aber Umsetzungs- und dadurch Handlungsspielraum.

"Sehr seltene Ausnahme"

So gibt es im Rheinland zum Beispiel eine Ausnahmeregelungen für Pfarrer, die in einer christlich-muslimischen Ehe leben. Der Landessprecher Jens Peter Iven betont allerdings: "Das ist eine sehr, sehr seltene Ausnahme." Zwingende Voraussetzungen seien die Akzeptanz und Unterstützung des Pfarrdienstes durch den Partner, eine evangelische Trauung und die evangelische Erziehung der Kinder. Auch die Gemeinde muss zustimmen. Ähnlich ist die Situation in anderen Landeskirchen. Die württembergische Landeskirche hätte also die Vikarin trotz muslimischen Ehemannes behalten können.

Häcker hat vor dem kirchlichem Verwaltungsgericht Einspruch gegen ihre Kündiggung eingelegt. "Mein Wunsch, Pfarrerin zu werden, besteht nach wie vor", bekräftigt Häcker. Ihr Glaube habe sich sogar geschärft, sagt sie der taz. Die eigene württembergische Kirche sieht die junge Theologin aber mit neuen Augen: "Vor allem im württembergischen Pfarrhaus meiner Eltern habe ich gelernt, das Fremde anzunehmen. Nun scheine ich selbst der Kirche so fremd geworden zu sein, dass sie mich nicht mehr annehmen kann oder will. Das verwirrt und verletzt mich."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • TS
    Thomas Scherr

    Ich finde das Verhalten der Kirchenleitung hier nicht in Ordnung, und zwar aus folgenden Gründen:

     

    1. Wer vor einer wichtigen Lebensentscheidung steht, hat Anspruch auf Verständnis, gründliche Beratung und gründliche Prüfung des Sachverhalts. Dies ist hier nicht geschehen.

     

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtsghofs für Menschenrechte ist in derartigen Fällen sorgfältig zwischen den Belangen der Kirche und dem Recht des oder der Betroffenen auf Achtung des privaten Bereichs und des Familienlebens abzuwägen. Nach dem mir bekannten Tatsachen hat hier eine derartige Abwägung überhaupt nicht stattgefunden.

     

    Mit dem Ehemann der Vikarin wurde überhaupt nicht gesprochen, mit ihr selbst lediglich 20 Minuten. Es wäre hier geboten gewesen, die Eignung des Partners als Ehemann einer zukünftigen Pfarrerin gründlich zu prüfen. Dabei hätte man auch berücksichtigen müssen, daß sich dieser in der Jugendarbeit der Gemeinde engagiert und dort sehr beliebt ist. Dies wurde bei der gebotenen Abwägung zwischen den Belangen der Kirche und dem Schutz von Ehe und Familie von Frau Häcker überhaupt nicht berücksichtigt. Vielmehr wurde ihr von vorneherein mitgeteilt, daß eine Ausnahmeregelung nicht in Betracht käme, ohne daß sich die Kirchenleitung ein Bild vom Ehemann der Vikarin gemacht hat. Ein derartiges Verhalten ist für mich ein klarer Verstoß gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltene Abwägungsgebot.

     

    2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist auch zu berücksichtigen, wie sich die Kündigung während der Ausbildung auf die Berufsaussichten der Vikarin auswirkt. Ohne abgeschlossenes Vikariat hat sie nur wenig Chancen auf Anstellung in einer anderen Landeskirche. Auch bei anderen Arbeitgebern hat sie nur wenig Chancen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen wäre es für die Landeskirche zumutbar gewesen, ihr zumindest den Abschluß ihrer Ausbildung zu ermöglichen.

     

    3. Es ist auch zu bedenken, daß sie ihren Partner geheiratet hat, da dieser ansonsten in Deutschland keinen Aufenthaltsstatus gehabt hätte.

     

    Unter Berücksichtigung all dieser Tatsachen ist die Entlassung meiner Meinung nach nicht in Ordnung

  • TS
    Thomas Scherr

    Ich finde das Verhalten der Kirchenleitung hier nicht in Ordnung, und zwar aus folgenden Gründen:

     

    1. Wer vor einer wichtigen Lebensentscheidung steht, hat Anspruch auf Verständnis, gründliche Beratung und gründliche Prüfung des Sachverhalts. Dies ist hier nicht geschehen.

     

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtsghofs für Menschenrechte ist in derartigen Fällen sorgfältig zwischen den Belangen der Kirche und dem Recht des oder der Betroffenen auf Achtung des privaten Bereichs und des Familienlebens abzuwägen. Nach dem mir bekannten Tatsachen hat hier eine derartige Abwägung überhaupt nicht stattgefunden.

     

    Mit dem Ehemann der Vikarin wurde überhaupt nicht gesprochen, mit ihr selbst lediglich 20 Minuten. Es wäre hier geboten gewesen, die Eignung des Partners als Ehemann einer zukünftigen Pfarrerin gründlich zu prüfen. Dabei hätte man auch berücksichtigen müssen, daß sich dieser in der Jugendarbeit der Gemeinde engagiert und dort sehr beliebt ist. Dies wurde bei der gebotenen Abwägung zwischen den Belangen der Kirche und dem Schutz von Ehe und Familie von Frau Häcker überhaupt nicht berücksichtigt. Vielmehr wurde ihr von vorneherein mitgeteilt, daß eine Ausnahmeregelung nicht in Betracht käme, ohne daß sich die Kirchenleitung ein Bild vom Ehemann der Vikarin gemacht hat. Ein derartiges Verhalten ist fürmich ein klarer Verstoß gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltene Abwägungsgebot.

     

    2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist auch zu berücksichtigen, wie sich die Kündigung während der Ausbildung auf die Berufsaussichten der Vikarin auswirkt. Ohne abgeschlossenes Vikariat hat sie nur wenig Chancen auf Anstellung in einer anderen Landeskirche. Auch bei anderen Arbeitgebern hat sie nur wenig Chancen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen wäre es für die Landeskirche zumutbar gewesen, ihr zumindest den Abschluß ihrer Ausbildung zu ermöglichen.

     

    3. Es ist auch zu bedenken, daß siei hren Partner geheiratet hat, da dieser ansonsten in Deutschland keinen Aufenthaltsstatus gehabt hätte.

     

    Unter Berücksichtigung all dieser Tatsachen ist die Entlassung meiner Meinung nach nicht in Ordnung

  • W
    Württembergerin

    Kleine Korrektur: Die württembergische Pfarrervertretung und die VuV sind zwei verschiedene Organisationen. Die VuV ist eine (von zwei) Vertretung der Vikarinnen und Vikare sowie der sog. unständigen Pfarrerinnen und Pfarrer (in den ersten drei Dienstjahren), von ihr stammt die zitierte Stellungnahme, die sie auf der Vollversammlung ihrer Mitglieder auf der Herbstkonferenz verabschiedet hat. Die württembegischePfarrervertretung ist auch für die ständigen Pfarrerinnen und Pfarrer als Vertretung zuständig (also für alle) und hat mit dieser Stellungnahme soweit ich weiß nichts zu tun.

  • R
    Roschkowski

    jaybear:

    das lässt sich ganz einfach definieren. Man muss Mitglied einer christlichen Religionsgemeinschaft sein.

  • J
    jaybear

    > ... Paragraf 39 des Pfarrerdienstgesetzes der EKD:

    > "Ehepartner von evangelischen Pfarrern müssen

    > christlich sein."

     

    Wie ist denn dabei wohl "christlich sein" definiert?

    ...

    Muss mensch dazu Kirchensteuer zahlen?

    Getauft sein?

    Nur Gott kennen?

     

    Weiß jemand genaueres?

  • WB
    Wolfgang Banse

    Deer Liebe keine Vorgaben machen

    Die Kirche,hier die Evangelische Kirche in Baden Württenberg greift tief in die Privatsphäre einer Theologin ein,was ihre Heirat mit einem Muslime betrifft,Entlassung aus dem Pfarrdienst ist die Folge.

    In welchen Jahrhundert befinden wir uns eigentlicjh;im Mittelalter,wo es Ketzer gab,oder im 20 .Jahrhundert. Die Kirche,hier die Evangelische Kirche muss sich nicht wundern,wenn ihr noch mehr Menschew3n den Rücken kehren,durch Austritt -.

    Das allgemeine Kirchenvolk.steht nicht hinter den leitenden Geistlichen in den Landeskirchenämtern.

    Vorgaben werden gemacht,woran sich Hauptamtli che und das allgfemeine Kirchenvolk halten soll.Die Amtskitrche hat keine Autorität mehr,in der5 Gesellschaft hat siew kaum noch gewicht,als Gesprächspartner wird sie kaum noch wahrgenommen.

    Hellinistisches,doktrinistisches Gedankengut sollte in den Kirchen der Vergangenheit angehören.

    Kirchenvolk steht auf und wehrt euch was aus den Landeskirchenämtern kiommt.In diesem fall ,was die Entlassung der Vikarin anbetrifft kann sich die Kirche die sich auf JESUS CHRISTUS beruftr,nicht auf JESUS CHRISTUS berufen.Ihr fehlt einfach die Legitimation.

  • H
    Hamburg

    das verstehe wer will, Muslime sind doch bekannt für ihre Toleranz und Akzeptanz ggü. Andersgläubigen. Hier wurde die Chance vertan, im Pfarrhaus das partnerschaftliche Zusammenwirken zweier Religionen öffentlich wirken zu lassen. Ich bin ganz sicher, dass Eltern, die ursprünglich die Absicht hatten ihre Kinder in der christlichen Tradition aufwachsen zu lassen einer richtig gute Chance beraubt wurden, das muslimische Weltbild hautnah als ebenbürtig zu erkennen. Und außerdem, wir leben mittlerweile in einer multiethnischen und multireligiösen Gemeinschaft, da sollte es doch wirklich egal sein, welche Religionen sich in den Pfarrhäusern und Kirchen tummeln

  • K
    konfession

    meine Konfession ist klasse:

    e = m * c²

  • HH
    Hans Höfer

    Die Kirche hat als Tendenzbetrieb das Recht sich über diverse Verfassungsgrundsätze und Menschenrechte hinwegzusetzen. Die Humanistische Union zählt zu diesem Fall auf: die Freiheit der Eheschließung (Art. 6 Abs. 1 GG), die Freiheit der Berufswahl und der zur Ausübung nötigen Qualifikation (Art. 12 Abs. 1 GG); sowie die Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention). Man kann der betroffenen Frau natürlich jetzt sagen: Selbst schuld, es ist schließlich allgemein bekannt, was Kirchen von Menschen- und Arbeitnehmerrechten halten, sie kann sich ja einen anderen Job suchen. Und überhaupt: Wer heiratet denn heutzutage schon noch?

     

    Aber so zynisch sollte man nicht sein. Denn solange die Kirchen jährlich zig Millionen EUR aus Steuergeldern (also von allen Bürgern, nicht nur von Kirchenmitgliedern) erhalten, muß man sie auch an die bestehenden Gesetze erinnern.

     

    Ganz nebenbei: Ihr Ehemann ist Muslim, glaubt also ein einen ebenso unbarmherzigen, eifersüchtigen, misogynen Gott wie die Betroffene selbst. Da ist doch kein theologischer Konflikt zu befürchten!

  • E
    Eric

    Der Mann kann doch zum Christentum konvertieren. Dann wäre alles in Butter...

  • DJ
    Dirk Jäckel

    "sich immer näher rückenden Religionen" - wie süß