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Heilende Strahlen?

■ Radiologen erfahren oft gar nichts von Verbrennungen

Nach dem Skandal an der Universitätsklinik Eppendorf in Hamburg ist die Strahlentherapie in Verruf geraten: Dort ist im Sommer bekanntgeworden, daß von 144 zwischen 1987 und 1990 bestrahlen Darmkrebs-PatientInnen mindestens 50 unter zum Teil schwersten Nebenwirkungen nach Strahlentherapie zu leiden hätten. Die taz befragte den Chef der Strahlentherapie am ZKH St.-Jürgen- Straße, Professor Hans-Joachim Habermalz zu den Verhältnissen in Bremen.

Was hat der Hamburger Kollege falsch gemacht?

Hans-Joachim Habermalz: Die prinzipielle Kritik ist, daß er eine nicht-standardisierte Therapie angewandt hat, in der besten Absicht, die Wirkung der Behandlung bei Enddarmkrebs, der in 60 Prozent der Fälle zum Tode führt, zu verbessern. Die Patienten sind zum Teil vor und nach der Behandlung bestrahlt worden, zum Teil zweimal am Tag.

Man rechnet bei der Strahlentherapie mit einer Schädigungsrate von fünf Prozent, auch bei der Standardbehandlung — es kann also schon mal zu sowas wie einem Darmdurchbruch kommen?

Solche Nebenwirkungen wie etwa der Durchbruch eines Darmabschnittes, sind nicht vollständig auszuschließen, aber wir führen die Bestrahlung im allgemeinen so durch, daß höchstens fünf Prozent mittlere bis starke Schädigungen davontragen.

Der Skandal in Hamburg bestand auch darin, daß die Radiologen von den weiterbehandelnden Hausärzten gar nichts über die verheerenden Nebenwirkungen erfuhren.

Wir müssen an sich unsere Patienten auch nach längerer Zeit immer wieder sehen, um zu wissen, welche positiven und negativen Effekte Bestrahlung hat. Die Krankenkassen geben den Strahlentherapeuten in der Regel aber nur in kleinstem Maße die Möglichkeit, ihre Patienten später selber zu untersuchen. Und ein anderer Arzt kann bestimmte Symptome mißdeuten. Ich sage den Patienten immer, daß sie darauf hinwirken sollen, daß sie Berichte über den Krankheitszustand kriegen. In der Regel ist die Rückkoppelung nicht gut organisiert. Das wird aber besser durch die Tumorzentren, wenn Nachsorgebriefe an die Bremer Hausärzte geschickt werden. Die füllen die Zettel aus und wir kriegen eine Durchschrift.

Offenbar gibt es da aber auch einen Clinch zwischen den Hausärzten und den Bestrahlungsärzten?

Grundsätzlich dürfte ich mir den Patienten nicht wiederbestellen. Man überlegt nun in Bremen, ob man zum Beispiel über dieses Tumorregister Möglichkeiten schafft, daß Strahlentherapeuten in längeren Abständen die Patienten sehen, um die Wirkungen und Nebenwirkungen zu überprüfen. Fragen: cis

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