Heavy-Metal-Band Spinal Tap: Parodie ihrer selbst
Seit 25 Jahren steht die amerikanische Band Spinal Tap auf der Bühne. Dabei ist sie nur das erstaunlich langlebige Produkt einer Filmparodie auf das Rockgeschäft.
Der Auftrag war klar: Verlange im Soho Metropolitan Hotel in Toronto nach einem gewissen David Plutarch. Gar nicht klar aber war, wer dann, sechseinhalbtausend Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Planeten, abnehmen würde: Michael McKean oder David St. Hubbins?
Michael McKean ist Schauspieler. David St. Hubbins ist die Filmrolle, die ihn verfolgt. Dazwischen zu trennen, das fällt mittlerweile selbst McKean schwer. Oder St. Hubbins. Je nachdem, wen man fragt. Im Laufe des Gesprächs jedenfalls fällt der eine immer mal wieder aus der Rolle, nur um sofort wieder in den anderen hineinzuschlüpfen, sobald eine Frage zu den Hintergründen gestellt wird.
Das symbiotische Verhältnis der beiden begann vor 25 Jahren. "In This Is Spinal Tap" porträtierte McKean den Sänger einer fiktiven Heavy-Metal-Band. Der Film imitierte den Stil einer Rockmusik-Dokumentation und folgte der Band, die sich nach einem unangenehmen medizinischen Eingriff - der Lumbalpunktion - benannt hatte, auf Tournee durch die USA.
Unter der Regie von Rob Reiner, der sich selbst als fiktiven Dokumentarfilmer Marty DiBergi ins Bild rückt, improvisierten McKean und seine Kollegen Christopher Guest als Gitarrist Nigel Tufnel und Harry Shearer als Bassist Derek Smalls die Dialoge.
Seit Orson Wells "Krieg der Welten" (1938) im Gewand einer fiktiven Radioreportage angeblich eine Massenpanik auslöste, setzen fiktionale Formate immer wieder auf den Anstrich des Nachrichtlichen.
Der Film "Kubrik, Nixon und der Mann im Mond" (F 2002), in dem sogar der ehemalige US-Verteidigungsminister Rumsfeld auftritt, behauptet die Bilder der Mondlandung als Fälschungen zu entlarven. Regisseur Stanley Kubrik habe sie geliefert.
Der Film "Its all gone Pete Tong" (USA/C 2004) gibt sich als Reinactment wahrer Ereignisse im Leben des DJs Frankie Wilde.
Auch die ersten Folgen der englischen Erfolgsserie "The Office" (GB 2001) sollen Briten dazu gebracht haben, ernsthaft über die ethischen Standards im Berufsalltag nachzudenken.
Auch die Handlung war eine eher lose Abfolge absurder Episoden: Mal verläuft sich die Band auf dem Weg zum Auftritt in den Gängen hinter der Bühne, mal kommt niemand zur Autogrammstunde im Plattenladen, und immer wieder enden Auftritte in peinsamen Situationen. "Unsere Geschichte", sagt in diesem Fall wohl der Spinal-Tap-Sänger St. Hubbins, "ist eigentlich eine moralische Warnung, die von Hybris und Erlösung handelt. Nur die ganze nackte Haut haben sie leider rausgeschnitten."
Vielleicht wegen fehlender nackter Haut war "This is Spinal Tap", als der Film 1984 ins Kino kam, kein großer Erfolg beschieden. Der hauptsächliche Grund war aber wohl: Ein Großteil der Zuschauer durchschaute das Prinzip der "Mockumentary" (aus den englischen Wörtern "mock", also Fälschung, und "documentary" zusammengesetzt) nicht und nahm die angebliche Tour-Dokumentation für bare Münze.
Doch in dem Vierteljahrhundert, das seitdem vergangen ist, haben sich der Film und die Band, die für ihn erfunden wurde, zum Kultobjekt entwickelt. Vor allem die späteren Video- und DVD-Editionen verkauften sich gut, in Programmkinos wird der Film immer noch gezeigt.
Auf Webseiten analysieren Fans den Film mit philosophischem Rüstzeug oder tragen die fiktive Bandbiografie liebevoll bis ins letzte Detail zusammen: vor allem den rekordverdächtigen Verschleiß an Schlagzeugern, die mal durch einen "bizarren Unfall beim Gärtnern" aus dem Leben scheiden, mal an der eigenen Kotze ersticken oder gleich auf der Bühne explodieren.
Auch in der Populärkultur hat die Parodie ihre Spuren hinterlassen: Wenn auf einer Tournee etwas schiefläuft, beschreiben es Rockstars wie Lars Ulrich von Metallica oder R.E.M.-Bassist Mike Mills wie selbstverständlich als "very Spinal Tap". Die Grunge-Band Soundgarden coverte regelmäßig die Gesäß-Hommage "Big Bottom", und die radikal ehrliche Was-Rockstars-wirklich-wollen-Nummer "Gimme Some Money" wurde gar von American Express für einen Werbespot verwendet.
So füllen McKean und seine Kollegen bis heute immer wieder größere Säle, wenn sie sich in die viel zu engen Stretch-Hosen zwängen und noch einmal die alten Hits mit so schön schwachsinnigen Titeln wie "Tonight Im Gonna Rock You Tonight" oder "Lick My Love Pump" aufführen. 2007 nutzten sie die große Bühne des Live-Earth-Konzerts und rockten mit "Warmer Than Hell" gegen den Klimawandel.
"Wir sind eigentlich kein Kult", sagt dazu der Schauspieler in St. Hubbins/McKean, "wir sind eher eine schlechte Angewohnheit. Die Leute fühlen sich zu uns hingezogen wie die Fliegen zur Scheiße."
Zum Jubiläum brachten Spinal Tap nun mit "Back From The Dead" sogar ein neues Album heraus: Darauf finden sich nicht nur Klassiker, sondern sogar auch sechs neue Songs, die sich mit dem bekannten Humor der ewig alten Klischees der Rockmusik annehmen. Bei den Aufnahmen unterstützt wurden St. Hubbins, Tufnel und Smalls von Branchengrößen wie Keith Emerson, Steve Vai und Def-Leppard-Gitarrist Phil Collen.
Beim Glastonbury Festival galten sie in diesem Jahr als einer der Höhepunkte, vielleicht auch weil Jarvis Cocker am Bass aushalf. Zum Konzert im Londoner Wembleystadion, Auftakt und zugleich großes Finale einer "One Night World Tour", kamen immerhin etwa 10.000 Leute.
Vor allem unter Heavy-Metal-Fans ist der Film bis heute ein großer Lacher geblieben - obwohl es doch vor allem ihre langhaarigen Helden mit den Falsettstimmen und endlosen Gitarrensoli sind, die das Ziel des Filmspottes abgeben. St. Hubbins, oder in diesem Fall wohl eher McKean, hat eine Erklärung dafür: "Ich habe zwar nicht gerade die Erfahrung gemacht, dass Heavy-Metal-Fans die humorvollsten Menschen unter der Sonne sind, aber ich muss zugeben, sie haben ein sehr spezielles Verhältnis zum Leben - und zum Tod, vor allem zum Tod. Und jemand, der damit prahlt, sich mit den Günstlingen des Teufels herumzutreiben, der sollte schon einen gewissen Sinn für Humor haben."
Dieser Humor hat die Zeiten offensichtlich gut überstanden. "Spinal Tap" ist nicht nur eine punktgenaue Parodie auf den Monsterrock der späten Siebzigerjahre, sondern funktioniert bis heute als ironische Auseinandersetzung mit den Auswüchsen der Entertainment-Industrie. Nie wieder wurden die Manierismen von Rockstars so zielgenau aufs Korn genommen, der Größenwahn zu Geld und Ruhm gekommener Musiker entlarvt.
So treffend war die Parodie, dass Gitarrengott Eddie van Halen dereinst gestand, dass er bei der ersten Ansicht des Films beim besten Willen nicht erkennen konnte, was daran lustig sein sollte: "Alles, was in dem Film geschieht, war mir schon passiert." Und Aerosmith-Gitarrist Brad Whitford berichtete, dass Sänger Steven Tyler den Film kein bisschen komisch fand.
Die Fans von Aerosmith und ähnlich prätentiösen Rockbands sind bekanntlich anderer Meinung und schätzen den Humor von "Spinal Tap" als Erleichterung von der pompösen Ernsthaftigkeit ihrer Lieblingsbands. Eine Fortsetzung scheint nach diesem in 25 Jahren langsam gewachsenen Erfolg unvermeidlich. "Ein Sequel?", stöhnt es am anderen Ende der Leitung, "da müssen Sie den Regisseur Marty DeBergis fragen." Das war dann wohl wieder David St. Hubbins.
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