Havanna wendet sich an USA: Kuba bittet um Embargo-Lockerung
Die Hurrikane "Gustav" und "Ike" haben Kubas Wirtschaft um Jahre zurückgeworfen. Nahungsmittel und Medikamente fehlen. Havanna appelliert an die USA, das Handeslembargo zu lockern.
Ernte, was die Hurrikane übrig gelassen haben, ist die eine Devise. Aufräumen und Wiederaufbauen die andere, mit der der nationale Katastrophenschutz sowie Armee und Milizen derzeit in Kuba beschäftigt sind. Doch den Einsatzkräften ist es unmöglich überall gleichzeitig im Land Nothilfe zu leisten. Schmerzhafte Prioritäten müssen gesetzt werden, daran ließ auch das Organ der kommunistischen Partei, der "Granma", keinen Zweifel, denn keine der vierzehn Provinzen der Insel blieb verschont.
Besonders schlimm hat es Holguín und Granma im Osten, Camagüey und Las Tunas im Zentrum und Pinar del Río im Westen erwischt, berichtet Richard Haep, Büroleiter der Welthungerhilfe in Havanna. Er hat in den letzten Tagen den äußersten Osten der Insel um Baracoa besucht, aber auch den Westen um Pinar del Río und vergleicht die Auswirkungen der beiden Hurrikane mit dem Tsunami in Südostasien 2004. "Die Schäden belaufen sich nach ersten Schätzungen auf etwa zehn Milliarden US-Dollar. Das sind zwanzig Prozent des Bruttosozialprodukts Kubas. Übertragen auf Deutschland entspricht das einem Schaden von 400 Milliarden US-Dollar", sagt Haep.
Ein gigantisches Volumen, das die Wirtschaft der Insel um Jahre zurückwerfen kann. Laut der kubanischen Bloggerin Yoani Sánchez, die ebenfalls die Region von Pinar del Río besuchte, fehlt es an allem: vom Schulheft bis zu Kleidung und Medikamenten. In Miami wurde am Wochenende gegen das ideologische Pingpong zwischen Havanna und Washington demonstriert. Man müsse helfen, hieß es dort. Um das zu ermöglichen, so appellierte die kubanische Regierung am Sonntag, sollen die USA das Embargo lockern, den Erwerb von Baumaterialien und anderen nötigen Artikeln binnen der nächsten sechs Monate freigegeben und auch Kredite gewähren. Dass sich die Bush-Administration darauf einlassen wird, ist nicht zu erwarten. Der Appell zeigt aber, dass man in Havanna mit dem Rücken zur Wand steht.
Mehr als 320.000 Häuser wurden schwer beschädigt oder zerstört, und Entwicklungsexperten gehen davon aus, dass bis zu fünfzig Prozent der Ernten durch "Gustav" und "Ike" zerstört wurden. So gilt die Tabakernte in der Provinz von Pinar del Río als weit gehend verloren. Für die Liebhaber der Havannas eine schlechte Nachricht, für Kuba ein potentieller Einnahmeausfall von etwa 300 Millionen US-Dollar.
Weitaus schlimmer für die kubanische Bevölkerung sind jedoch die verheerenden Schäden auf den Bananenplantagen, auf Kartoffel-, Reis- und Zuckerrohrfeldern. Jede Tonne dieser Grundnahrungsmittel, die weniger geerntet wird, muss importiert werden. Doch womit diese Mehrausgaben beim ohnehin schon astronomisch hohen Lebensmittelimport bezahlt werde sollen, weiß derzeit wohl niemand in Havanna.
Die Welthungerhilfe hat im Osten Kubas erste Nothilfeprojekte initiiert. Dabei ist die Wiederbelebung des Agrarsektors eine zentrale Komponente, denn die Lebensmittelversorgung ist angesichts von hohen Weltmarktpreisen, der chronischen Importabhängigkeit Kubas und der immensen Hurrikanschäden die zentrale Herausforderung der kommenden Monate.
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