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Archiv-Artikel

Hausputz beim Staatsschutz

Durch die Polizeireform wird auch die Staatsschutzabteilung neu organisiert. Vier Kommissariate sollen künftig effizient und themenübergreifend Hand in Hand arbeiten. Viele Beamte sind misstrauisch – und fürchten den Verlust von Expertenwissen

von OTTO DIEDERICHS

Sollte die Staatsschutzabteilung im Berliner Landeskriminalamt tatsächlich bis vor gar nicht langer Zeit ein rückständiger Haufen gewesen sein? Zumindest die Vermutung kommt auf, wenn man den Worten von LKA-Direktor Peter-Michael Haeberer Glauben schenkt. Bis vor etwa drei Jahren, erklärte Haeberer den Abgeordneten im parlamentarischen Innenausschuss vergangene Woche, habe die Abteilung – zuständig für alle politisch motivierten Delikte von volksverhetzenden Farbschmierereien bis zu Attentatsversuchen und terroristischen Anschlägen – noch „mit 50 Jahre alten Strukturen“ gearbeitet. Haeberer war von Februar 1997 bis Ende September 2001 selbst Leiter des polizeilichen Staatschutzes.

Heute soll die „Ära des Verstaubten“ beim LKA 5, wie die Staatsschutzabteilung im Dschungel der Behördenkürzel heißt, nun endgültig zu Ende gehen. Im Rahmen einer umfassenden Neuordnung der Führungs- und Organisationsstrukturen bei der gesamten Berliner Polizei wird auch das LKA 5 umorganisiert. „Wir richten uns auf eine neue Zeit ein“, meint Berlins oberster Kriminaler. Zum Herbst soll die neue „gestraffte“ Struktur stehen und die Arbeit effektiver machen.

Um die Frage, wie dies aussehen sollte, ist lange und heftig gerungen worden. Zunächst war vorgesehen, dass es im Extremismusbereich statt neun künftig nur noch sieben Kommissariate geben sollte. Drei von ihnen sollten dem Vernehmen nach ein festes Aufgabenfeld bei der Extremismusbekämpfung erhalten, während die übrigen vier als so genannte Task Forces arbeiten und andere Bereiche – wenn nötig – kurzfristig verstärken sollten. Als denkbar galt es auch, den Task Forces bestimmte Tatkomplexe, etwa bei der Terrorismusbekämpfung, zur Aufklärung zu übertragen. Eine Art kriminalpolizeiliche „Eingreifreserve“ also. Eine solche Organisationsform wäre nach Ansicht von Lutz Hansen, dem Berliner Landesvorsitzenden vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), gerade beim Staatsschutz „ein reizvoller kriminalistischer Ansatz“ gewesen.

Haushaltspolitisch hatte der Gedanke jedoch einen Kardinalfehler: Für die Staatsschützer in den Task Forces hätte kein klares ständiges Aufgabenfeld ausgewiesen werden können. So etwas ist im sparwütigen Berlin äußerst gefährlich. Bei den Etatberatungen im Senat und bei den Haushältern der Parteien fallen nicht eindeutig definierte Stellen im öffentlichen Dienst erfahrungsgemäß sofort dem Rotstift zum Opfer. Also ließ man den Plan lieber fallen. Nun sollen vier themenübergreifende Kommissariate gebildet, die Inspektion „Ausländerextremismus“ soll dabei aufgelöst werden. Für die analytische Arbeit zu extremistischen Strukturen soll künftig eine personell verstärkte „Auswerteeinheit“ zuständig sein.

Ein ähnliches Konzept hatte LKA-Chef Haeberer noch vor wenigen Monaten abgelehnt. Auch unter den knapp 400 Beamten des LKA 5 – etwa die Hälfte davon sind Personenschützer – herrscht Unruhe. Sie befürchten den Verlust von Expertenwissen, das gerade bei der Terrorbekämpfung wichtig sei. „Künftig macht keiner mehr, was er kann, alle machen alles“, heißt es in ihren Kreisen. Als zumindest „fraglich“ bewertet auch der BDK die geplanten „abgesetzten Auswerteeinheiten“. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei der Analysebedarf „enorm gestiegen“, hält Haeberer dagegen. Zudem werde mit der neuen Struktur aus den bisherigen Arbeitsabläufen „Hierarchie herausgenommen“. Für eine „Übergangsphase“ will aber auch der Kriminaldirektor nicht auf eine gewisse Spezialisierung verzichten. In Zukunft solle aber „ein Sachbearbeiter gleich mit einem anderen Sachbearbeiter“ reden. „Wir geben unsere geliebten Schubladen auf“, meint er. Natürlich mache so etwas zunächst Angst, aber „damit werden wir fertig“.

Man wird sehen, wie das ausgeht. Auch beim „Berliner Modell“, bei dem Schutzpolizisten jetzt kleinere Delikte selbst bearbeiten um die Kripokollegen zu entlasten, hatte es ähnlichen Streit gegeben. Also hatte man vorübergehend einer „sanften Spezialisierung“ der Schupos zugestimmt – und sie dann stillschweigend beibehalten.