Haushaltsdebatte zum EU-Stabilitätspakt: Merkel verteidigt ihren Deal
Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt sich bei der Haushaltsdebatte streitlustig. Sie will Defizitsündern das Stimmrecht entziehen, doch dazu müssten EU-Verträge geändert werden.
BERLIN taz / dapd | Angela Merkel war, wie schon bei der Haushaltsdebatte, ziemlich streitlustig. Und redete gleich zehn Minuten länger als geplant. Vizekanzler Guido Westerwelle hatte intern ihren Kurs beim EU-Stabilitätspakt als zu weich kritisiert. Andere EU-Staaten halten Merkels Kurs, Defizitsündern künftig das Stimmrecht in der EU zu entziehen, hingegen für nicht akzeptabel. Doch Merkel schien das nicht anzufechten.
Sie verteidigte ihre Vereinbarung in Deauville mit Frankreichs Präsident Sarkozy in Sachen EU-Stabilitätspakt mit den Worten: "Eine deutsch-französische Einigung ist noch nicht alles in Europa. Aber: Ohne eine deutsch-französische Einigung wird vieles nichts." Deutschland und Frankreich hätten "gemeinsam die Führung übernommen" und den Weg zu einem Konsens beim EU-Gipfel in Brüssel geebnet.
Laut dem deutsch-französischen Plan sollen Sanktionen gegen Defizitsünder in der EU schneller greifen. Außerdem, so Merkel, könnten künftig auch Staaten mit hohen Gesamtschulden belangt werden - und nicht nur solche, die die jährliche Verschuldungsmarge von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten. Zudem werde es Sanktionen gegen EU-Staaten geben, die ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechterten.
Das Zwangsinstrument gegen Defizitsünder soll künftig der Entzug des Stimmrechts in der EU sein, falls die betreffenden Regierungen nicht tun, was die EU will. Weil Finanzsanktionen bei hochverschuldeten Staaten wenig Sinn machten, sei es besser, so Merkel, "politisch spürbare" Strafen wie den Stimmrechtsentzug zu verhängen. Damit erhalte der Stabilitätspakt, glaubt Merkel, deutlich mehr Biss. Die politischen Hürden für Sanktionen würden deutlich gesenkt.
Die Bundeskanzlerin betonte, Deutschland wolle bis spätestens Sommer 2013 einen neuen, robusten und rechtlich unangreifbaren "Krisenbewältigungsrahmen" fest in den EU-Verträgen verankern. Die Alternative, nämlich die bloße Verlängerung der dann auslaufenden Nothilfe für Athen, sei nicht akzeptabel, denn der im Frühjahr aufgespannte Rettungsschirm sei nur provisorisch und auf den Einzelfall zugeschnitten. "Eine einfache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben", betonte Merkel.
Allerdings müssen dafür die europäischen Verträge geändert werden. "Ich mache mir da keine Illusionen: Das wird schwer genug", sagte Merkel.
Das ist eher untertrieben. Vor allem die Idee, Defizitsündern künftig das Stimmrecht in der EU zu entziehen, stößt auf Widerstand. Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker schloss am Mittwoch schon mal definitiv aus, dass es "Stimmrechtsentzug für Haushaltssünder" geben wird.
SPD-Fraktionschef Frank Walter Steinmeier hielt am Mittwoch seine erste Rede im Parlament nach seiner Nierentransplantation. Er holte weit aus, so verteidigte er nochmals die Enthaltung der SPD im Bundestag bei der Bewilligung des Rettungsschirmes für Griechenland im Frühjahr. Die Einigung mit dem französischen Präsidenten in Deauville bezeichnete er als "Kuhhandel", mit dem Deutschland halb Europa gegen sich aufbringe. Merkel habe damit die "Lage für die Einigung in Europa schwerer gemacht", sagte der frühere Außenminister.
Merkel und Sarkozy hatten sich in Deauville auf neue Spielregeln in der Eurozone verständigt und damit die übrigen EU-Länder vor vollendete Tatsachen gestellt.
Ähnlich klang auch die Kritik der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Merkel habe sich wie eine "europapolitische Novizin" aufgeführt und dilettantisch angestellt. Durch ihre "Kehrtwende um 180 Grad" beim Treffen mit dem französischen Präsidenten Sarkozy habe Merkel vor allem viele kleinere EU-Mitglieder "auf die Palme gebracht". Statt Europa zusammenzuhalten, beschädige sie das Ansehen Deutschlands.
Es gibt in der EU ohnehin viel Kritik an Deutschland. Die Merkel-Regierung spare zu viel, heißt es anderswo, die deutsche Wirtschaft exportiere zu viel - zum Schaden anderer krisengebeutelter EU-Staaten. Die als Affront empfundene Absprache mit Sarkozy sorgt weiter für Missstimmung. Der EU-Gipfel in Brüssel beginnt heute.
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