Hausbesuch bei schwäbischer Domina: Lady Safiras Herrschaft

In ihrer Wohnung in Schwaben empfängt Lady Safira Sadina Besuch, der Erniedrigung erfleht. Viele ihrer Kunden sind Führungskräfte, bei ihr geben sie die Kontrolle aus der Hand.

Old School: Demütigung per Teppichklopfer. Bild: dpa

Lady Safira Sadina de Maso sitzt in ihrem Sessel im Wohnzimmer ihrer Dreizimmeraltbauwohnung und schlägt die Beine übereinander. Im Hintergrund pfeift ein Wellensittich. Ein Internetradiosender spielt leise Jazz. Safira dreht sich in Richtung des Flurs: "Mini, komm her!"

Ein Mann Ende zwanzig, nur mit einem schwarzen Stringtanga bekleidet, kriecht auf allen vieren in den Raum. Um den Hals trägt er eine Kette aus schwerem Metall, der Kopf ist in eine schwarze Ledermaske gehüllt. Er kniet sich neben den Sessel und schaut auf den Boden. "Ja, Herrin?" - "Einen Kaffee mit Milch, ohne Zucker", befiehlt Safira Sadina de Maso. Dabei betont sie jede Silbe. "Ja, Herrin." Der Mann dreht sich um und kriecht zurück in den Flur. Auf dem Türabsatz steht er auf und eilt in Richtung Küche.

Mini ist ein typischer Haushaltssklave. Mindestens einmal im Monat muss er bei seiner Herrin zur "Erziehung" erscheinen. Um Sex geht es dabei nicht, das ist auch ausgeschlossen in der strengen Hierarchie, in der die Herrin weit über ihm steht. Es geht um viel mehr.

"Wie lange dauert das denn!", ruft Safira in Richtung des Flurs. Einen Augenblick später kommt Mini in den Raum, stellt eine Kaffeetasse auf den Tisch und geht sofort neben ihr auf die Knie. "Na, das hätte man auch auf einem Tablett bringen können", raunt Safira und mustert ihren Sklaven mit hochgezogenen Augenbrauen. Mini schaut auf den Boden. "Geh in die Küche und spül das Geschirr!" Mini zögert. "Na los jetzt!", befiehlt Safira. "Oder willst du dir Prügel einfangen?" - "Nein, Herrin." Er dreht sich um und verlässt den Raum.

Ihre Wohnung in einer Kleinstadt bei Stuttgart ähnelt ein wenig "Deutschlands gewöhnlichstem Wohnzimmer", das die Hamburger Werbeagentur Jung von Matt für Marketingstudien nachgebaut hat: blaue Eckcouch-Sofa-Garnitur, Glastisch, eine Schrankwand mit Fernseher und Stereoanlage. Am anderen Ende des Zimmers stehen unter der Dachschräge vier Rattankorbstühle um einen Esstisch, daneben blitzen in einer schmalen Glasvitrine polierte Rotweingläser von Ikea: schwäbische Ordentlichkeit auf 68 Quadratmetern.

Safira entspricht äußerlich nicht den Vorstellungen, die sich um den Begriff "SM" ranken. Die 27-Jährige, im bürgerlichen Leben Dolmetscherin, trägt ein schwarzes Oberteil mit tiefem Ausschnitt und einen knielangen Rock mit auffälligem Leopardenmuster. Lack und Leder? "Würde ich nie anziehen!"

Ihre erste Begegnung mit der Sado-Maso-Welt hatte sie vor sechs Jahren. Damals jobbte sie als Bedienung in einer Bar. Zweimal die Woche kam ein Mann in Strapsen zum Putzen vorbei: der Sklave ihrer Chefin. Safira beobachtete, wie sie ihn rumkommandierte und erniedrigte - und merkte, dass das bizarre Schauspiel Faszination auf sie ausübte. Auf einschlägigen Websites las sie sich in das Thema ein und fand Gefallen daran.

Auf eine Anzeige im Internet meldete sich Frank P., Mitte 40, geschieden, zwei Kinder, Geschäftsführer einer Computerhandelskette. Bei den ersten drei Treffen brachte er Geschenke, schaute ihr nie in die Augen und sprach nur, wenn sie es ihm erlaubte. Das gefiel Safira. Sie taufte ihn auf den Namen "Kain" und setzte einen "Sklavenvertrag" auf, der seine Pflichten regelt: Der Sklave hat die Kleiderordnung zu befolgen, die seine Herrin für ihn festlegt. Er muss um Erlaubnis bitten, wenn er Alkohol trinken oder sich mit Freunden treffen möchte. Er muss seine Herrin fragen, wenn er mit seiner Freundin schlafen möchte. Jeden Tag muss sich der Sklave bei seiner Herrin per E-Mail melden und berichten, was er den Tag über gemacht hat - Kontrolle in allen Lebensbereichen.

"Der hatte mehrere hundert Angestellte", erinnert sich Safira. "Aber als Sklave wollte er total kontrolliert werden." Anderthalb Jahre lang finanzierte er ihr gesamtes Leben, zahlte ihre Weiterbildung zur Dolmetscherin. Doch immer wieder bettelte er darum, sie möge seine Fantasien erfüllen und ihn mit einem Stock in die Genitalien schlagen, was sie aber ablehnte. "Den Wünschen eines Sklaven entsprechen? Niemals", sagt sie entschlossen. Kain suchte sich dann eine neue, vielleicht kompromissbereitere Herrin.

Was erscheinen mag wie die Wirrungen einer modernen Überflussgesellschaft, ist kein neues Phänomen. Bereits in seinem 1870 erschienenen Roman "Venus im Pelz" beschreibt der Autor Leopold von Sacher-Masoch die verhängnisvolle Beziehung des "Sklaven" Severin zu seiner Herrin Wanda. Das Buch wurde binnen kürzester Zeit zum Bestseller, das Thema fand in der bürgerlichen Gesellschaft seiner Zeit eine gewisse Akzeptanz.

Dennoch: Sadomasochisten halten sich noch heute lieber bedeckt. Und das, obwohl verschiedene US-amerikanische Studien zu dem Schluss kommen, dass zwischen 5 und 25 Prozent der US-Bevölkerung eine solche Neigung haben. Eine andere Auffälligkeit, die aus zahlreichen Untersuchungen hervorgeht, hat auch schon Safira bemerkt. "Erstaunlich viele Sklaven haben in ihrem bürgerlichen Leben eine Führungsposition." Sie nimmt einen Schluck Kaffee, setzt sich an den Computer, der neben der Tür steht, und klickt sich durch ihr Fotoarchiv. "Sklavenhure Niemand", sagt sie dann und deutet auf den Bildschirm. Das Bild zeigt einen Mann Ende dreißig in schwarzer Latexkorsage, weiblich geschminkt, in einem bunten Stretchrock. Er schaut mit entrücktem Gesichtsausdruck an der Kamera vorbei in die Ferne. Der leitende Angestellte einer Versicherung ist seit anderthalb Jahren ihr Sklave. Er lebt mit dem Kick, dass sein Doppelleben jederzeit auffliegen könnte. "Ich hab alle seine Telefonnummern und Bankdaten, inklusive der Passwörter", sagt Safira. Wenn sie wollte, könnte sie sein Konto leer räumen, bei seiner Frau oder den Vorgesetzten anrufen oder ihnen die Fotos schicken - gesellschaftlicher Ruin garantiert. Stattdessen lässt sie ihm alle paar Wochen über seine Sekretärin irgendetwas Unwichtiges ausrichten. Er schreibt ihr daraufhin seitenlange Mails. "Ihr gebt mir zu spüren, wie sich die Schlinge um meinen Hals immer enger zuzieht", liest Safira aus einer Mail vor. "Bald werde ich für immer in eurer Hand sein." Sie schüttelt den Kopf. "Der steht auf Erpressung." "Blackmailing" nennt sich das und ist in den USA besonders beliebt.

Sie dreht sich in Richtung des Flurs. "Ich möchte ein Glas Sekt!" Kurze Zeit später bringt Mini eine Flasche und ein Glas auf einem Tablett. Er stellt es auf den Tisch und kniet sich auf ein Bein. Der Sekt schäumt über, Safira wird wütend: "Sag mal, bist du zu blöd?" Verunsichert schaut Mini zu seiner Herrin und möchte etwas sagen. "Du wagst es, mich anzuschauen? Na warte!" Sie packt ihn an seinem Ohr. Erschrocken schreit Mini auf. Er starrt auf den Boden und zittert vor Angst. "Stellt dich mit dem Tablett in die Ecke, mit dem Rücken zu mir. Auf einem Bein!" - "Ja, Herrin", sagt er kleinlaut.

Nach einer Weile dreht sie sich wieder zu ihm um. Mini ist sichtlich bemüht, auf einem Bein das Gleichgewicht zu halten. Das Fenster steht offen, Safira sieht, dass er zittert. "Mini, frierst du? Nicht dass du krank wirst und deiner Herrin nicht mehr dienen kannst!" - "Nein, es ist nur anstrengend, so zu stehen." - "Dann stell dich auf das andere Bein", entgegnet sie und setzt sich wieder in ihren Sessel.

"Ich bin mir bewusst, wie groß meine Verantwortung ist", sagt sie. Schließlich habe sie das Leben ihrer Sklaven in der Hand. "Ich muss aufpassen bei den Bestrafungen, vor allem, wenn ich sie knebele." Die Bestrafungen sind Teil der Erziehung: auf Erbsen knien, Schläge mit der Jagdgerte oder dem Rohrstock, Einsperren in einen engen Raum - nur ein paar Spielarten der möglichen Erniedrigungen. Aber geht es den Sklaven dabei nicht gerade um die Lust am Schmerz? "Da wäre ich ja blöd. Ich mach doch nichts, was denen Spaß macht", antwortet Safira.

Zwar lebe sie von den Geschenken und der "Steuer", die sie anhand der Kontoauszüge und Gehaltsabrechnungen ihrer Sklaven festlegt, doch besonders viel verdiene sie damit nicht. "Ich muss mich mit denen ja richtig befassen. Das ist anstrengende psychische Arbeit!" Herrin zu sein entspricht durch und durch ihrem Weltbild: "Frauen stehen über den Männern. Das ist nun mal so."

Sie schaut zu Mini, der sichtlich Mühe hat, noch länger auf einem Bein zu stehen. Safira ruft ihn zu sich. Mini stellt das Tablett auf den Tisch und kniet sich neben Safira.

Er ist 28 Jahre alt und studiert Pharmazie. Diese masochistische Neigung hatte er schon immer, glaubt er: "Schon als Kind habe ich eher Gefängnisse gemalt als Blumenwiesen." Dass es für den Kick durch Unterwerfung einen Namen gibt und auch Gleichgesinnte, fand er mit 16 heraus: durch einen Beitrag in der Sendung "Wa(h)re Liebe". Er besorgte sich Bücher, Romane wie wissenschaftliche Abhandlungen, und las sich ein. "Drei Jahre später hatte ich meine erste Herrin", sagt er und blinzelt durch die Augenschlitze seiner Maske. Aber das scheiterte nach einem Jahr. Über die Gründe schweigt er sich aus. Vielleicht war er einfach zu jung, meint er dann. Safira ist seit über zwei Jahren seine vierte Herrin.

Sie schaut zu ihm herab, ihre Stimme wird sanfter: "Heute warst du viel ruhiger als sonst", sagt sie. "Du machst Fortschritte." Er lächelt vermutlich zufrieden unter seine Maske, schaut aber weiter auf den Boden. "Ich brauche dich nicht mehr, geh wieder in deinen Käfig", sagt Safira dann. Auf allen vieren verlässt Mini den Raum. Er geht quer über den Flur zu einem Zimmer am anderen Ende der Wohnung. Neben der Tür steht ein Käfig aus dicken, schwarzen Metallstäben, einen Meter lang, etwa siebzig Zentimeter breit und hüfthoch. Mini kriecht hinein und schließt die Zellentür hinter sich selbst. Hier wartet er, bis seine Herrin ihm erlaubt zu gehen. Dann wird er sich umziehen und seine Eltern besuchen, die ganz in der Nähe wohnen.

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