Hauptversammlung EnBW: Kampf gegen Windmühlen ist vorbei
Kein deutscher Stromkonzern hing so an der Kernkraft wie die EnBW. Wie sich die großen Energieversorger umstellen müssen – und können, wenn sie wollen.
BERLIN taz | April 2009, Hauptversammlung bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW): Der Konzern gehört zur Hälfte dem französischen Atomriesen EDF, betreibt selbst vier Atommeiler und hofft, im Herbst möge es eine schwarz-gelbe Bundesregierung und damit eine Laufzeitverlängerung für die AKWs geben.
Der Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis spricht davon, dass der Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2020 auf 20 bis 25 Prozent steigen werde und Kohlekraft eine „industriepolitische Notwendigkeit“ sei.
April 2012: Am Donnerstag war wieder Hauptversammlung bei EnBW, Redner war wieder Villis. Vergleicht man beide Reden, zeigt sich, wie sehr sich bei dem Konzern und in Deutschland der Wind gedreht hat. Erneuerbare Energien decken bereits jetzt über 20 Prozent des heimischen Strombedarfs. EnBW gehört fast zur Hälfte dem Land Baden-Württemberg mit einer von den Grünen geführten Landesregierung.
Von den vier deutschen AKW-Betreibern hat es das Unternehmen am härtesten getroffen: Der Atomstromanteil lag 2010 bei 50 Prozent, jetzt sind zwei Reaktoren stillgelegt. 2011 machte EnBW 867 Millionen Euro Verlust – auch, aber nicht nur wegen des Atomausstiegs. Erst 2014 werde der Konzern wieder zur alten Stärke zurückfinden, sagte Villis. Im Herbst löst ihn Eon-Manager Frank Mastiaux ab.
Gas statt Kohle
Die Energiewende zeigt sich auch in neuen Strategien des Konzerns. EnBW versucht sich als Dienstleister einer dezentralen Energieversorgung. Kommunen und Stadtwerken sollen Partnerschaften angeboten werden, falls sie zum Betrieb ihrer Stromnetze Know-how brauchen oder selbst kleine Kraftwerke betreiben wollen.
Von der Unterstützung derartiger dezentraler Energieerzeugung war vor drei Jahren keine Rede. Auf fossile Großkraftwerke will EnBW nicht verzichten, setzt dabei aber vor allem auf Gaskraftwerke. 2009 stand Kohle im Vordergrund.
Schon damals hat der Konzern auch in erneuerbare Energien investiert. Der Offshore-Windparks Baltic 1 mit rund 50 Megawatt Leistung ist deshalb schon heute errichtet, Baltic 2 mit 288 Megawatt soll bald folgen. Neu ist, dass der Konzern auch in Baden-Württemberg Windräder errichten will – bis zu 400.
Bis 2020 soll so der Anteil erneuerbarer Energien bei der EnBW verdoppelt werden. Das wären knapp über 20 Prozent. Man hätte mit satten acht Jahren Verspätung den deutschen Durchschnitt von 2012 erreicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker