Hauptstadt-Statistik: Berliner stammen von anderswo
Knapp die Hälfte der Berliner Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren ist nichtdeutscher Herkunft. In Zukunft werden Migranten vielerorts in der Mehrheit sein.
Migranten werden in immer mehr Stadtteilen Berlins in Zukunft in der Mehrheit sein: Bereits jetzt haben 43 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren einen Migrationshintergrund, deutlich mehr als in der Bevölkerung insgesamt: Rund ein Viertel aller Berliner ist nichtdeutscher Herkunft. Das geht aus Zahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg hervor, die Amtspräsidentin Ulrike Rockmann am Mittwoch gemeinsam mit dem Integrationsbeauftragten des Senats, Günter Piening, vorstellte. "Gerade der Blick in die unteren Altersgruppen zeigt, was für eine gewaltige demografische Veränderung die Stadt erlebt", sagte Piening.
In Kreuzberg, Wedding und Nordneukölln liege der Anteil der Kinder und Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft bereits jetzt fast durchgehend bei 70 Prozent und höher, so der Integrationsbeauftragte. "Die große Herausforderung ist, dieser heranwachsenden Generation eine klare Perspektive zu geben und Partizipationsmöglichkeiten zu eröffnen." Schulen, Behörden, aber auch Unternehmen müssten sich auf die Veränderungen einstellen.
2007 erfasste das Amt für Statistik erstmals nicht nur die Staatsangehörigkeit, sondern auch die Herkunft der Berliner. Als Migranten gelten neben den Ausländern auch alle Deutschen, die selbst eingewandert sind oder von denen mindestens ein Elternteil eingewandert ist beziehungsweise keinen deutschen Pass hat. 872.000 Berlinerinnen und Berliner sind demnach nichtdeutscher Herkunft. 48 Prozent der Einwohner mit Migrationshintergrund besitzen den deutschen Pass, Tendenz steigend: 2007 hatten nur 44 Prozent die deutsche Staatsbürgerschaft.
Die Migranten verjüngen die Stadt: Ihr Durchschnittsalter liegt bei 34 Jahren. Aus Deutschland stammende Deutsche sind mit 46 Jahren im Schnitt 12 Jahre älter. Berlin kommt so insgesamt auf einen Altersdurchschnitt von 43 Jahren.
Die größte Gruppe der Migranten stellen mit 20,2 Prozent nach wie vor die Einwanderer aus der Türkei. Sie leben vor allem in den westlichen Innenstadtbezirken. Auch die zweitgrößte Gruppe der Migranten, die Polnischstämmigen, wohnen vorwiegend in Westberlin. Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Vietnam findet man dagegen vor allem in östlichen Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg.
Die Statistik bestimmt den Migrantenanteil nicht nur in den Bezirken, sondern auch in einzelnen Kiezen. Ganz vorne liegt hier mit 71 Prozent die Motardstraße in Spandau, weil dort ein Flüchtlingsheim steht. Im Quartier rund um den Askanischen Platz am Anhalter Bahnhof sind 69 Prozent aller Einwohner nichtdeutscher Herkunft. Am Kreuzberger Mehringplatz sind es 67 Prozent.
"Die Daten zeigen, dass die in der Öffentlichkeit oft hergestellte Gleichsetzung von hohem Migrationsanteil gleich Problemkiez so nicht haltbar ist", sagte Piening. Vorurteile könnten entkräftet werden. Sucht man allerdings die Sozialdaten der zehn Kieze mit dem höchsten Migrantenanteil heraus, muss man feststellen: Die Arbeitslosenquote liegt in den meisten dieser Quartiere zwischen 15 und 18 Prozent. 70 bis 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen bekommen Transferleistungen - die soziale Situation ist also durchaus schwierig.
Bislang leben in Berlin - anders als etwa in Paris - die meisten Migranten in der Innenstadt. "In klassischen Einwanderungsquartieren wie Kreuzberg oder Nordneukölln steigen die Mieten rasant", sagte Piening. Ob die Migranten - unter ihnen viele sozial schwache Familien - bleiben können oder wo sie hinziehen, werde das große Thema der nächsten Jahre sein.
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