: Hauptstadt-Karussell dreht sich weiter
■ Die Befürworter Berlins hoffen auf eine »Gesamtlösung«
Bonn/Berlin. Der Streit um die Hauptstadt ging gestern unvermindert weiter: Das Bundestagspräsidium wollte gestern abend mit den Fraktionschefs in Bonn über das weitere Vorgehen sowie auch über einen Termin für eine Abstimmung im Parlament beraten. Als wahrscheinlich gilt eine Sitzung vor oder kurz nach der Sommerpause. Bundeskanzler Helmut Kohl will nach Ostern mit den Partei- und Fraktionschefs das Thema erörtern. Insgesamt mehrten sich gestern die Stimmen, die auf eine baldige Entscheidung drängten, um endlich Klarheit über den künftigen Sitz von Regierung und Parlament zu haben.
Die Befürworter Berlins hoffen in dem Streit auf eine »Gesamtlösung«, hinter der alle Bundesländer und Gruppen im Parlament stehen können. Die »Wunschlösung« sei, daß die Verfassungsorgane eine einvernehmliche Empfehlung zum künftigen Standort aller obersten Bundesorgane erarbeiteten, sagte der Berliner CDU-Abgeordnete Jochen Feilcke. Darin solle für jedes Bundesland klarwerden, welche obersten Dienststellen in seinem Bereich längerfristig angesiedelt werden können. Feilcke, der zu den Initiatoren der Berlin-Aktivitäten im Parlament gehört, erinnerte daran, daß in der Hauptstadt rund zwei Dutzend oberste Bundesbehörden sitzen. Sie könnten teilweise in andere Städte verlegt werden, sollte Berlin Bonns bisherige Aufgabe übernehmen.
Die Befürworter Berlins wollen sich mit parlamentarischen Initiativen für den Wechsel des Regierungssitzes so lange zurückhalten, bis die Bonn-Befürworter ihren Gruppenantrag einbringen. Feilcke stellt sich das Verfahren im Bundestag so vor, daß vor der Sommerpause eine Grundsatzentscheidung für Berlin getroffen und gleichzeitig der Auftrag erteilt wird, ein Gesamttableau für den Sitz anderer oberster Dienststellen zu erstellen.
Die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Rainer Eppelmann aus Brandenburg und Peter Paziorek aus Nordrhein-Westfalen stellten ein eigenes Konzept für die Aufteilung der Aufgaben zwischen Bonn und Berlin vor. Sie schlugen vor, in Berlin den Bundespräsidenten und den Bundesrat anzusiedeln, Festsitzungen und eine begrenzte Anzahl von Arbeitssitzungen des Bundestages abzuhalten und zusätzliche Einrichtungen des Bundes — etwa eine gemeinsame Außenstelle aller Ministerien — zu verlegen. In Bonn sollte der größte Teil der Arbeitssitzungen des Parlaments stattfinden. Auch die Ministerien sollten dort bleiben. dpa/taz
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