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Archiv-Artikel

IDEOLOGIE Hasta la victoria

analysiert die politische Großwetterlage

GERHARD DILGER

Keine Frage, der nächste Weltmeister kommt aus Südamerika! Und zwar nicht nur aus guter WM-Tradition – außerhalb von Europa haben bisher immer noch Brasilianer, Argentinier oder Uruguayer triumphiert. Oder wegen der nasskalten Jahreszeit in Südafrika, die dem Winter im Süden Südamerikas sehr ähnlich ist. Nein, der entscheidende Grund liegt in der politischen Großwetterlage: Südamerikas rosarote Welle der letzten Jahre, manche nennen sie „Linksruck“, ist jetzt endlich beim Fußball angekommen.

Noch unter der sozialistischen Präsidentin Michelle Bachelet wurde der chilenische Angriffsfußball wiederbelebt – dank der Leihgabe von Trainer Marcelo „El Loco“ Bielsa aus Argentinien. Dessen Bruder Rafael war der erste Außenminister des Linksperonisten Néstor Kirchner. Bielsa-Schüler Gerardo Martino, ebenfalls Argentinier, baute die traditionell defensiven Paraguayer genauso erfolgreich um. Nach der Wahl des Befreiungstheologen Fernando Lugo führte Paraguay die Südamerika-WM-Qualifikationsgruppe fast bis zuletzt an.

Oscar Tabárez (63) übernahm die Uruguayer, nachdem dort die erste Linksregierung überhaupt ans Ruder gekommen war. Ähnlich behutsam wie die Staatchefs Tabaré Vázquez (70) und der Exguerillero Pepe Mujica (75) in der Politik formte er die Truppe um Diego Forlán und Luis „El Pistolero“ Suárez still und leise zum Titelanwärter. In Südafrika fehlen Venezuela, Ecuador oder Bolivien – trotz beachtlicher Leistungen in der Qualifikation: Nach 18 Spielen lagen Ecuador und Venezuela einen beziehungsweise zwei Punkte hinter Uruguay, Bolivien fegte Argentinien mit 6:1 vom Platz. Schuld ist natürlich die Fifa, die Südamerika viereinhalb, den neoliberal regierten Europäern aber 13 der 32 WM-Plätze zugeschanzt hat.

Dass der Che- und Chávez-Fan Diego Maradona kein Blatt vor den Mund nimmt, ist bekannt: In Südafrika forderte er den Friedensnobelpreis für die „Großmütter der Plaza de Mayo“, Menschenrechtlerinnen, die in Argentinien für die Bestrafung der Diktaturschergen streiten. Doch auch als Trainer erweist er sich als würdiger Nachfolger von César Luis Menotti. Der führte Argentinien zum WM-Titel 1978 und entwickelte nebenbei die Theorie des „linken Fußballs“, des schönen Offensivspiels. Das wird von der aufstrebenden Weltmacht Brasilien nur noch in wenigen lichten Momenten praktiziert, Dunga ist der Anti-Maradona schlechthin. Und Präsident Lula hat sich schon längst der Übermacht der einheimischen Fußballmafia gebeugt – keine Spur von Linksruck. Dungas Truppe wird also den Kürzeren ziehen.