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Archiv-Artikel

Hass schreit „Schwule in die Höhle …“

„… Frauen an den Herd, Soldaten an die Front!“ – fordern Polens Machthaber. Der Bericht zweier unidealer Landsmänner

AUS POSEN & LUBLIN PAWEŁ LESZKOWICZ & TOMEK KITLIŃSKI

Es ist ein klirrend kalter Sonntagnachmittag. Wir stehen Hand in Hand im Herzen von Warschau, Polens Hauptstadt, in einem Park. Neben uns ist das Denkmal des unbekannten Soldaten, des Idealpolen sozusagen. Wir hingegen sind sein Gegenbild. Wir sind die Fremden der Nation. Und wir sind hier wegen einer ganz und gar unsoldatischen Kampagne gegen Homophobie, Abscheu vor dem Anderssein, Fremdenhass.

Die Fotografin Karolina Bregula bittet uns, für das Foto nicht zu posieren: „Seid natürlich, lächelt.“ Doch das Lächeln ist ein Problem. Wir bleiben stocksteif stehen, denn zwei offensichtlich ineinander verliebte Männer sind an öffentlichen Plätzen in Polen äußerst ungewöhnlich. Unheimlich fast.

Die Kampagne „Sollen sie uns doch sehen“, für die dieses Foto im letzten Winter entstand, wollte mit freundlichen, positiven Bildern den polnischen Vorurteilen begegnen. Wir standen selbst Modell für das Foto, denn die in den 60er-Jahren geborene Idee, das Private sei politisch, ist Leitmotiv unserer Arbeit.

Homosexuelle sollten nicht länger unsichtbar sein, wir wollten sie zeigen. Doch stattdessen führte „Sollen sie uns doch sehen“ zu einer Welle des Hasses. Die rechtsaußen stehende „Allpolnische Jugend“, eine rechtsextreme und militante Jugendorganisation, drohte mit Anschlägen auf die Fotoausstellung, die die Kampagne begleitete, und viele Bürgermeister verwehrten dem Projekt Raum in ihrer Stadt.

Auf der anderen Seite jedoch bestärkte die Reaktion der Rechten die Beharrungsmacht und Sichtbarkeit der Schwulen- und Lesbenbewegung des Landes. Seitdem schreien die Demonstranten zurück, wenn sie auf ihren Paraden für die Gleichberechtigung mit Steinen, Eiern oder Flaschen beworfen werden. Sollen sie uns doch sehen.

Wir haben uns damals sehr bemüht, gut auszusehen. Wir waren sogar bei der Kosmetikerin. Wir haben über unser Innenleben und über unseren Kampf mit der Außenwelt nachgedacht. Seitdem haben wir weiter Projekte vorangetrieben, die auf eine innerliche Anerkennung zielen, genauso wie auf äußerlichen, gesetzlichen Respekt.

In Polen gelten Schwule als Fremde, als Bastarde. Wie kann man den Hass gegen die „Anderen“ sublimieren? „Schwule in die Höhle! Frauen an den Herd! Soldaten in den Irak!“ – so lautet das Motto der regierenden Parteien Polens. Homosexualität ist ein Stammestabu der Polen.

Woher jedoch rührt dieser Hass? Wie schrieb der sich von der Heterosexualität abwendende Autor Witold Gombrowicz, dessen Bücher nicht mehr im polnischen Lehrplan stehen dürfen? „Die Schwierigkeit liegt darin, dass ich aus eurem Müll hervorgehe. In mir entfaltet sich das, was ihr im Laufe der Jahrhunderte als Abfall weggeworfen habt.“

Die Situation des Nichtandersseins, der Einförmigkeit, erweist sich jedoch als nicht ungefährlich, was vor allem gegenwärtig in Politik, Wissenschaft und Medien zum Vorschein tritt. Sie führt unwillkürlich zu Selbstzerstörung, Tod. Die Frage nach unserem eigenen Wesen und die Wahl des Anderen, Fremden ist gleichzeitig die Offenbarung unseres Innern, die Offenbarung uns selbst gegenüber, der Fremdheit in uns und in anderen.

Allein in unserer Sprache spiegelt sich Diskriminierung wieder: Fremdheit kann ein Fluch sein, ein Bann, mit dem wir uns wechselseitig belegen, oder der Stein, mit dem wir uns bewerfen. Die gegenwärtige Situation verlangt persönlichen Mut, Schwuler, Frau oder Jude zu sein. Das homosexuelle, weibliche oder jüdische Abjekt verneint die proklamierte Gleichheit, den Konformismus in Polen, die „einzig richtige Wahrheit“, die angeblich einzig mögliche Form der Staatsangehörigkeit und Männlichkeit. Hier verbindet sich alles: Geschlecht, Sexualität und Polentum. Die sich selbst zu den „wahren Polen“ Ernennenden sehen sich als unveränderbar, standfest, absolut. Die Wahl, sich als anders zu begreifen und zu zeigen, steht für das Sichwidersetzen, steht für den Veränderungswillen und die Vielfalt des Lebens.

Doch ist der Hass gegen Fremdes wirklich urpolnisch? Die Forderungen „Liebe die Fremden“ und „Du sollst den Fremdling nicht unterdrücken“ stammen aus der Bibel (Bücher Mose), auf die sich unter anderem die Feministin Julia Kristeva beruft. Ebenso enthält das polnische Wort gościnność (Gastfreundschaft) aus linguistischer Perspektive Elemente des Begriffs „Andersartigkeit“, inność. Gastfreundschaft ist Liebe zum Leben.

Für unsere Aktion zeigte einer der Künstler die Verbindungen zwischen Antisemitismus und Homophobie auf. Der in Danzig geborene Piotr Nathan malte ein Selbstporträt von sich als Kind auf eine Landwand. Darüber schmierte er breit einen der gängigen Slogans polnischer Hasssprache: „Schwuchteln ins Gas“. Auch Dorota Nieznalska beteiligte sich an der Ausstellung. Für ihre Arbeit „Passion“ aus dem Jahr 2003 – eine Leuchtbox, die einen Penis und ein orthodoxes Kreuz zeigte – war sie sogar gerichtlich belangt worden.

Kunst ist der Bereich der Kultur, der in Polen am stärksten unterdrückt und marginalisiert wird. Doch Kunst hat den Schwulen und Lesben, die hier leben, eine Stimme im Kampf für ihre Rechte gegeben. Mit unserer Wanderausstellung „Liebe und Demokratie“ (2005 und 2006) haben wir gezeigt, wie die durch Kunst ausgedrückte Liebe das heteronormative System, das Polen regiert, durchbrechen kann.

Unsere Kampagne „Sollen sie uns doch sehen“ wurde von einer großen Podiumsdiskussion begleitet. Zu der Veranstaltung kamen zahlreiche Akademiker und Aktivisten – und unangemeldet Vertreter der „Allpolnischen Jugend“. Wir baten um Polizeischutz. Doch es stellte sich heraus, dass uns das Treffen von Angesicht zu Angesicht viel über den Diskurs der Rechtsradikalen lehren kann.

Die „Allpolnische Jugend“ ist getrieben von rassistischem und sexistischem Hass. Als der kosmopolitische Poet Czesław Miłosz Anfang 2005 starb, geriet die „Allpolnische Jugend“ in Aufruhr. Miłosz sei ein Sodomitenfreund gewesen, sagten sie. Er habe geheime, verdächtige, gefährliche, also antipolnische Kontakte zu „Andersartigen“ geknüpft. Dies geschah eine Woche nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union. Im selben Jahr wurden Teilnehmer der Parade der Gleichheit in Krakau mit Säure begossen.

Obwohl die Opposition gegenüber Frauen- sowie Schwulenrechten brutal ist, lässt sich die feministische und homosexuelle Kultur nicht verbieten. Die Oppositionsbewegung gewinnt an Energie, ob nun im Bereich der Rechtsvorschläge (Maria Szyszkowska), der Literatur (Izabela Filipiak, Michał Witkowski) oder der Genderstudien (Maria Janion, Kazimiera Szczuka, Tomasz Basiuk). Eine besondere Rolle spielen hierbei Frauen, etwa Karolina Bregula, die Fotografin unserer Kampagne. Als Gegenpol zum normativen Heterosexismus erschaffen wir eine Kultur des Anderen, die vielfältige Traditionen und Perspektiven vereinen soll. Worauf es uns ankommt, ist eine lebendige Lebensinterpretation – nicht nur durch Forschung und Kunstausstellungen, sondern durch das Leben selbst.

PAWEŁ LESZKOWICZ, 36, und TOMEK KITLIŃ-SKI, 34, sind Wissenschaftler, Autoren und Aktivisten. LESZKOWICZ lehrt an der Adam Mickiewicz Universität in Posen, KITLIŃSKI an der Marie Curie-Sklodowska Universität in Lublin