Hasan Salihamidzic : Zurück in die Zweitheimat
■ 34, spielte in der Jugend von Turbina Jablanica und Velez Mostar, bevor er 1992 nach Hamburg floh Foto: dpa
Das schelmische Grinsen garnierte er mit einem seiner Gags: „Ü 30 eben“, sagte Hasan Salihamidžić und grinste die Zuschauer im Kärntner Trainingslager an. Während die anderen Profis des VfL Wolfsburg noch weiter rennen und schwitzen mussten, war für ihn einer dieser typischen Arbeitstage unter Felix Magath vorzeitig beendet.
Salihamidžić, besser unter seinem Spitznamen „Brazzo“ bekannt, genießt als prominenter Neuzugang und Patient mit Armschiene einen Sonderstatus. Weil er sich kurz nach seinem Wechsel nach Wolfsburg in einem Testspiel den Arm gebrochen hat. Und weil Magath weiß, dass der Bosnier zu den wenigen Kickern zählt, die man nicht zum Laufen antreiben muss.
Beim Hamburger SV, bei dem seine erstaunliche Bundesligakarriere vor 15 Jahren begonnen hat, und bei Bayern München hat Salihamidžić wie jetzt beim VfL Wolfsburg unter dem strengen Magath gedient. „Er weiß, wie es funktioniert. Man kann sich unter ihm immer weiterentwickeln“, sagt der ebenso folgsame wie lebenslustige Spieler über seinen Trainer. Warum sich eine Frohnatur und ein Schleifer so gut miteinander arrangieren, lässt sich nur erahnen. Aber Salihamidžić hat sich von der zerstörerischen Fleißbiene zum willensstarken Spielentscheider entwickelt – bis es sogar an der Zeit war, dem großen FC Bayern den Rücken zu kehren und zu Juventus Turin zu wechseln.
Wieso aber kommt einer wie Salihamidžić für ein Jahr zu einem Verein wie dem VfL Wolfsburg? Weil es in Italien nicht mehr gereicht hat? „Meine Familie und ich, wir haben uns weiterentwickelt. Die Italiener sind ein wirklich sehr herzliches Volk. Aber in Deutschland bin ich groß geworden. Hier fühle ich mich zu Hause“, sagt der Mann aus dem herzegowinischen Jablanica, den seine Eltern im Krieg 1992 nach Hamburg schickten.
Magath, in Wolfsburg als Trainer, Manager und Geschäftsführer wieder allmächtig, sagt über seinen Lieblingsschüler, den er in Hamburg in die Bundesliga geholt hat und dem er nun eine Hintertür zurück öffnet: „Er wird uns mit seiner Erfahrung weiterhelfen.“ Beim VfL, nach der Meisterschaft 2009 zuletzt knapp dem Abstieg entronnen, brauchen sie einen Typen, der Leitwolf, Spaßvogel und Kampfsau zugleich sein kann.
Wer dem fleißigen „Brazzo“ bei der Arbeit zusieht, kommt nicht auf die Idee, dass dieser Mann schon 34 Jahre alt ist oder dass seit einer Woche eine Platte und sechs Schrauben seinem gebrochenem Arm Halt geben. Wenn er mit diesem Elan weitermacht, wird der Mann für die fiese Laufarbeit im Mittelfeld die Herzen der Wolfsburger Fans im Sturm erobern. Nach einer Saison der Orientierungslosigkeit kommt er als ersehnte Integrationsfigur daher, die einem zusammengekauften Team gefehlt hat. CHRISTIAN OTTO