Hartz-IV im Bundesrat: Saar-Grüne könnten rechts umfallen
Der Bundesregierung fehlt nur eine Stimme, um die Hartz-IV-Reform im Bundesrat durchzusetzen. Schwarz-Gelb könnte die Saar-Grünen "kaufen", fürchtet die SPD.
Am Freitag wird Schwarz-Gelb im Bundestag die Hartz-IV-Reform verabschieden. Erwachsene bekommen ab dem 1. Januar 2011 364 Euro im Monat, 5 Euro Euro mehr als bisher. Kinder sollen Zuschüsse für Schulmaterial, Mittagessen in Schule und Kita erhalten. Die Opposition hält das für völlig unzureichend.
Bislang ging man davon aus, dass die schwarz-gelbe Reform noch geändert wird. Denn am 17. Dezember muss der Bundesrat zustimmen. Dort verfügt Schwarz-Gelb über keine Mehrheit, deshalb rechnet man bisher damit, dass man im Vermittungsauschuss einen Kompromiss finden wird. SPD und Grüne wollen einen höheren Regelsatz, mehr für Kinder und mit Schwarz-Gelb über den Mindestlohn verhandeln.
Doch seit die Grünen die Koalition in Hamburg verlassen haben, ist auch ein anderes Szenario denkbar: nämlich ein Ja des Bundesrates. Wenn es Arbeitsministerin von der Leyen gelingt, "Jamaika" im Saarland zur Zustimmung zu bewegen, würde die Reform unverändert durchgehen. Das wäre ein politischer Triumph für Merkel & Co, eine Niederlage für Rot-Grün.
Angeheizt hat diese Spekulation Hubert Ulrich, Chef der saarländischen Grünen. In einem Interview erklärte er, dass sich das Saarland "nach derzeitigem Stand" in der Länderkammer der Stimme enthalten werde. Bisher gebe es kein ernsthaftes Angebot vom Bund - will sagen: Das kann sich noch ändern. Merkel könnte das Saarland kaufen - genauso hat es auch Gerhard Schröder mal mit dem Land Brandenburg gemacht, als Rot-Grün die Zustimmung des Bundesrates zur Steuerreform brauchte.
Wenn die Bundesregierung viel Geld für das chronisch finanzschwache Saarland lockermachen würde, "müssen wir das beraten", so Grünen-Chef Ulrich. Aus FDP-Kreisen hört man, dass Schwarz-Gelb derzeit nicht damit rechnet, dass die Saar-Grünen umfallen. Es wäre ja mehr als verwunderlich, so ein FDP-Mann, wenn "die Grünen für uns die Kohlen aus dem Feuer holen". Doch Ulrich gilt auch bei den Bundes-Grünen als jemand, der nur schwer steuerbar und rationalen Argumenten nur bedingt zugänglich ist.
Der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann polterte prompt gegen den "schmutzigen Deal" zwischen von der Leyen und den Saar-Grünen. "Die Grünen dürfen sich nicht kaufen lassen", so Oppermann. Grünen-Parteichef Cem Özdemir müsste die Saar-Grünen "zur Ordnung rufen".
Der allerdings äußerte sich nur äußerst vorsichtig. Es sei normal, dass das Saarland im Bundesrat seine Interessen vertritt. Den Saar-Grünen sei "aber bewusst, dass es hier nicht nur um Länderinteressen geht".
Auch linke Grüne halten erst mal den Ball flach. Ulrich habe auch vor dem schwarz-gelben Wachstumsbeschleunigungsgesetz folgenlos über ein Ja aus dem Saarland räsoniert. Damals waren die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat allerdings auch eindeutiger. Hubert Ulrich scheint die bundesweite Aufmerksamkeit jedenfalls zu genießen. "Bisher" so Ulrich in einem Interview, "kann Herr Oppermann beruhigt sein."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken