piwik no script img

Harriet Wolff Was haben wir gelacht

Jetzt sind sie mal so richtig genutzt worden. Die weitläufigen, kilometerlangen Hallen des Nazibauwerks Flughafen Tempelhof in Berlin – für eine Sause. Was da aber auch alles auf- und abgefahren wurde, traditionelle Jahrmärkte der Eitel- und Peinlichkeiten sind nichts dagegen. Shining, shining! Denn das mit der Berliner Location stimmt nicht, der Rest schon. Es kam mir beim montäglichen Betrachten der Seelenverkaufsmesse des näselnd mies gelaunten mächtigen Wichts von überm Teich nur so vor, als wenn die ob kalten, windigen Wetters, das dann gar nicht so kalt und windig war, wie erwartet, indoor ins US-Kapitol verlegte Show mal eben im steinernen Faschobau THF am Platz der Luftbrücke gestiegen wäre.

Die weite Anreise mit US-Rosinenbombern in die einstige und bald wohl wieder Frontstadt des Westens (sorry, Ostberliner Bezirke!) wäre den mumifiziert wirkenden jungen und alten Claqueren des etwas besser als 2017 frisierten Blondies auch gar nicht zuzumuten gewesen. Sie standen ja so schon wie bestellt und stillos glotzend herum. Das für gut spröde gebliebene Deutsche überladen wirkende präsidentielle Inaugurations-Zeremoniell inklusive stundenlanger militanter Spielmannsmusik hat allerdings Tradition im Gründungsmythosland USA. Da hätte auch eine Kamala wie ein Kamel durchs Nadelöhr durch gemusst, das gehört dazu.

Nach langem Gegucke der Ekel-Donald-Veranstaltung, die ich live im meist knorke unkommentierten US-Parlamentsfernsehsender C-SPAN verfolgte (sehr empfehlenswerte Kabarettanstalt!), zog ich mir dann auf Youtube zum Vergleich die Amtseidveranstaltung von Olaf Scholz anno Dezember 2021 rein. Was habe ich gelacht. In Sekundenschnelle geht da die „Ich schwöre, dass ich Deutschland nicht im Stich lasse oder so ähnlich“-Angelegenheit mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas über die Berliner Bühne. Kein Budenzauber, gar nichts, nur Scholz hebt erst den rechten Arm zu früh und als es dann ernst mit Schwören wird, hebt er ihn zu spät. Und bloß kein Schwur auf die Bibel, nichts mit „So wahr mir Gott helfe“.

Obwohl, ist Trump jetzt auch vom Glauben abgefallen wie immer schon Scholz? Dabei hatte doch die trotz der Drinnenveranstaltung wie stets eingefroren wirkende Melania, die am Montag aussah wie eine Oberchefstewardess mit allzu großem Hut im Rund, also Melania hatte gleich Stücker zwei Bibeln für ihn zum Draufschwören dabei. Und was tat der garstige Grinser? Rührte die fesche Abraham-Lincoln-Bibel und seine eigene olle, die er, so weiß es Waschinken, nein Washington, 1955 von seiner Mutter zum Sonntagsschulabschluss vermacht kriegte: nicht an.

Was haben wir gelacht, nein, das Lachen ist uns ob der Tragweite der Katastrophe Trump II nicht im Halse steckengeblieben, im Gegenteil. Tränen der Fassungslosigkeit haben wir gelacht, ich schwöre es.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen