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Hans Modrow kurt in Thüringen

Bad Liebenstein (dpa) - In Bad Liebenstein ist er ein Kurgast wie (fast) jeder andere: Hans Modrow, ehemals Ministerpräsident der DDR für hundert Tage, jetzt Volkskammerabgeordneter der PDS. Eingebunden in den Kurbetrieb eines Sanatoriums, etwa 25 Kilometer von der deutsch-deutschen Grenze entfernt, erholt sich der 62jährige mit seiner Frau vom Arbeitsstreß als Ministerpräsident der Übergangsregierung. Die starken physischen Belastungen haben ihn sehr beansprucht, räumt Modrow ein. Die Kurgäste in der Kleinstadt im thüringischen Kreis Bad Salzungen gestehen ihm die Ruhepause zu, sagt Modrow. „Ich komme mit vielen Menschen ins Gespräch und bekomme oft Dank für meine Arbeit zu hören.“

Ohne Begleitschutz, in der BRD für einen „Promi“ kaum vorstellbar, unternimmt Modrow ausgedehnte Wanderungen in die Umgebung und versucht, seinen Körper wieder aufzubauen. Dem früher aktiven Sportler fehlte in den vergangenen Monaten der Ausgleich. „2.000 Meter bin ich oft geschwommen oder 10.000 Meter gelaufen“, skizziert der Volkskammerabgeordnete sein sportliches Pensum.

Doch ganz ohne Politik geht es bei dem Hoffnungsträger der früheren SED nicht. Zwar debattierte das DDR-Parlament ohne den ehemaligen Regierungschef über den Staatsvertrag, doch er macht sich schon Gedanken über die Zukunft der DDR und seiner Partei, der SED-Nachfolgerin PDS. Gesamtdeutsche Wahlen hält Modrow nicht vor Mitte des kommenden Jahres für sinnvoll. Zur Situation der Linken in einem vereinten Deutschland meint Modrow, bei Wahlen könne er sich eine offene Listenverbindung mit anderen demokratischen Linksparteien vorstellen. Die Linke könne jedoch nur mit „Kräften aus der Bundesrepublik“ politische Bedeutung bekommen, die DDR allein habe prozentual zuwenig Gewicht.

Unverständnis zeigt der PDS-Ehrenvorsitzende über das Verhalten der Sozialdemokraten in der BRD. „Die Herren in der SPD müssen auch ein Stück über die Vergangenheit nachdenken. Mit der PDS möchten sie im Moment den Dialog nicht, mit der alten SED haben sie ihn geführt. Das ist doch ein Widerspruch in sich“, sagt Modrow, „die PDS ist für einen neuen Dialog bereit“.

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