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Hannover wird reich

■ Mit dem Viertelfinal-Pokalsieg gegen Karlsruhe will sich Hannover 96 finanziell sanieren

Hannover (dpa) — Die Kabine von Hannover 96 glich einem Tollhaus. Die Präsidiumsmitglieder lagen sich in den Armen, die Spieler stimmten Jubelgesänge an, Kameras surrten, Mikrofone überall. 1:0-Torschütze Mathias Kuhlmey, ein Eigengewächs des Zweitligisten, stand im Mittelpunkt der Ovationen. Hannover 96 feierte den Pokaltriumph über den Bundesligisten Karlsruher SC enthusiastisch. Erstmals steht der Deutsche Fußballmeister von 1938 und 1954 im Halbfinale. Im Niedersachsen-Stadion sorgten die Fans unter den 28.906 Zuschauern für italienische Ausbrüche: Böllerschüsse und bengalisches Feuer lösten Festtagsstimmung wie zu besten Bundesligazeiten aus, die erfolgreichen Profis wurden auf ihren Ehrenrunden wie die kommenden Cupsieger gefeiert.

Gejubelt wurde später auch in der Altstadt. „Jetzt gibt es endlich etwas zu verdienen. Mit seinem Tor hat Kuhlmey den Verein fast allein saniert“, freute sich Michael Lorkowski, der als Trainer seinen bisher größten Erfolg feiern konnte und nun auf eine bessere Zukunft bei den in der Vergangenheit finanziell arg gebeutelten Hannoveranern hoffen darf. Schatzmeister Dieter Braun möchte über 2,5 Millionen Mark Bankverbindlichkeiten so schnell wie möglich abbauen. Präsident Fritz Willig, erst seit sechs Tagen im Amt, fand rasch die bewährte Formel, mit der sich Erfolge planen und erringen lassen: Leistung — Zuschauer — Geld.

Der 50 Jahre alte Rechtsanwalt und Notar, der eine Halbzeit lang mit den Fans in der Nordkurve („Dort liegt unser Kapital für die Zukunft“) gefiebert, gepfiffen und gelitten hatte, konnte sich keinen besseren Einstand wünschen. Er bedankte sich spontan mit einer flammenden Rede bei der Mannschaft. Die Pokal-Nachfeier mit den Spielern sollte am Donnerstag in seinem Haus nachgeholt werden. „Dieser Sieg ist uns wohl nicht zugetraut worden. Aber das macht nichts. Den Sekt trinken wir in Berlin“, kündigte Torschütze Kuhlmey an, der mit seinem Treffer die Tür zu einem noch größeren sportlichen Erfolg und zum dringend benötigten Geldsegen geöffnet haben dürfte. Denn bei einem Heimspiel im Halbfinale wird das Niedersachsen-Stadion mit 60.000 Besuchern ausverkauft sein. Dazu kämen das Fernseh-Honorar sowie Werbeeinnahmen, so daß eine runde Million Mark in die leeren Kassen fließen könnte. Borussia Mönchengladbach heißt der Wunschgegner von Präsident Willig.

Das Kontrast-Programm zum Sieges-Jubel lieferte Verlierer Karlsruher SC. Niedergeschlagen, mit Tränen der Wut und Enttäuschung in den Augen, kauerte KSC-Trainer Winfried Schäfer in der hintersten Ecke der Kabine und mochte seine Spieler nicht ansehen. Sie hatten ihn im Stich gelassen. „Ich bin so deprimiert. Wir haben uns auskontern lassen, wie Anfänger“, schimpfte er und rang nach Fassung. Manager Carlheinz Rühl wurde deutlicher: „Wir können die Spieler nicht rausschmeißen, aber es muß nach dieser Niederlage Konsequenzen geben. So kann und darf es nicht weitergehen.“ Die lasche, unkonzentrierte und teilweise überhebliche Einstellung einiger KSC-Spieler fordert Maßnahmen einfach heraus.

Karlsruher SC: Kahn - Bogdan - Metz, Schuster (84. Carl) - Rolff, Harforth, Schmidt, Schütterle, Hermann - Schmarow, Scholl.

Tor: 1:0 Kuhlmey (70.).

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