Hannes Koch Wir retten die Welt: Glücklich ohne Bitcoins
Wenn ich Fotos der Winklevoss-Brüder sehe, weiß ich: So möchte ich nicht sein. Die Zwillinge schauen aus wie Klone, gefertigt in einer Fabrik für erfolgreiche Leute an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Ihre identischen Gesichter scheinen mir zu sagen: Wir sind aus einer guten Familie, keiner kann uns was. Sie sind so gleich, dass im Film „Social Network“ nur ein Schauspieler gebraucht wurde, um beide zu mimen. Jetzt sollen Cameron und Tyler Winklevoss zu den ersten Bitcoin-Milliardären gehören, dank des rasanten Kursanstiegs der Internetwährung.
Man könnte meinen, die Welt sei ungerecht. Die beiden haben eine bemerkenswerte Karriere hingelegt: Harvard, mit Marc Zuckerberg einen Facebook-Vorläufer gründet, von diesem 65 Millionen Entschädigung erstritten, nachdem er ohne sie weitermachte. Investition in eine Bitcoin-Firma, deren Chef der Geldwäsche beschuldigt wurde und im Gefängnis landete. Dann rechtzeitig große Mengen von dem billigen Scheiß gekauft, der nun rund 14.000 Euro pro Einheit wert ist.
Unlängst fragte ich eine Freundin: Warum investierst du nicht ein paar tausend Euro in Bitcoins? „Ich will über Weihnachten meine Wohnung renovieren lassen“, antwortet sie. „Kannst du nicht beides tun – renovieren und investieren? Vielleicht machst du genug Gewinn, um bald deine Hütte abzubezahlen.“ Sie schüttelt sich. Wie ich mich schüttele, wenn ich an die Winklevoss-Visagen denke.
Sowieso sollte man auf meine Anlage-Tipps nicht hören. „Nä-nä-nä, Pixelpark“, rufen meine Kinder manchmal hinter mir her, machen doofe Gesichter und tun so, als sei ihr Papa plemplem. Pixelpark – zu Zeiten der sogenannten New Economy vor 17 Jahren war das eine Berliner Firma, die irgendwas mit Internet machte. Der Kurs schoss hoch, ich kaufte Aktien, verkaufte, erzielte Gewinn. Weil es so schön war, stieg ich noch mal ein. In dem Moment achtete ich nicht auf die Börsen-Weisheit, die da lautet: „Kaufe immer zum richtigen Zeitpunkt und verkaufe nie zum falschen.“ Ich verlor alles. Paulus Neef, der Chef, war eine deutsche Variante der Winklevoss-Brüder. Mit den Resten meines Geldes ritt er in den Sonnenuntergang.
Meinem besten Freund empfahl ich zur selben Zeit, in eine sogenannte Bank für kleine und mittlere Unternehmen zu investieren. Die Chefin machte einen sympathischen Eindruck. Mein Freund wartet noch immer darauf, dass er ein bisschen Geld vom Konkursverwalter zurückbekommt.
Nein, von so was lasse ich inzwischen die Finger. Der Unterschied zwischen den Winklevoss-Zwillingen und Leuten wie mir: Wir interessieren uns nicht für Geld – unter der Voraussetzung, dass genug da ist. Aber wir brauchen nicht immer mehr. Wir bringen auch nicht den Müll raus, wenn der Eimer noch nicht voll ist. Oder fliegen nach Dubai zum In-Door-Skifahren. Wir kaufen Wein, um ihn zu trinken, nicht, um ihn 30 Jahre liegen- und dann den Erben zu überlassen. Wir haben Zeit für die wichtigen Dinge.
Geld ist keine Herausforderung, die uns anspornt. Wir finden es langweilig. Eine Hürde ist vielleicht die erste Million, danach geht’s doch wie von selbst.
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