Hanfpapst Jack Herer gestorben: Kompromisslos bis zum Schluss
Einst hielt Jack Herer die Hanfpflanze für Teufelszeug. Er ließ sich bekehren und wurde zum unermüdlichen Kämpfer für die Legalisierung von Hanf.

BERLIN taz | Er war weltweit der wohl bedeutendste Kämpfer für die Legalisierung von Hanf, der feurigste und unermüdlichste auf jeden Fall, und heiliger Zorn brauste jedes Mal in ihm auf, wenn er das Verbot der wichtigsten und wertvollsten Pflanze dieses Planeten anprangerte. So auch bei seiner letzten Rede im vergangenen September beim "Hempstalk" in Oregon, nach der er hinter der Bühne einen Herzinfarkt erlitt. Es war schon sein zweiter und dieses mal hat er sich von den Folgen nicht erholt – Donnerstag ist Jack Herer im Alter von 70 Jahren in Eugene/Oregon gestorben.
Irgendwann 1986 war auf meinem Schreibtisch bei der taz die Kopie eines Buchs gelandet "The Emperor Wears No Clothes – Hemp and The Marihuana Conspiracy", in der Jack Herer derart unglaubliche Dinge über Hanf und die Hintergründe seines Verbots zusammengetragen hatte, dass ich sie zuerst nicht weiter ernst nahm. Aber alle seine Behauptungen waren dokumentiert und dass ich sie bei den Nachrecherchen mehr als bestätigt fand, führte dann nicht nur zu der stark erweiterten und auf Hanfpapier gedruckten deutschen Ausgabe "Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf", sondern auch zu einer Renaissance der Pflanze in Deutschland und Europa.
1996 konnte erstmals wieder Faserhanf in Brandenburg angebaut werden, seit 1997 ist auch der Hanfwirkstoff Tetra-Hydro-Cannabinol (THC) wieder als Arzneimittel zugelassen und das körpereigene Cannabinoid-System ist mittlerweile eines der spannendsten neuro-pharmakologischen Forschungsgebiete.
Ohne Jack Herer, der seit 1979 jedes Wochenende an der Strandpromenade von L.A. in Venice seinen Infostand aufbaute, wäre das alles nicht geschehen. Er wurde 14-Mal verhaftet, nicht wegen Gras, sondern weil Stände auf der Meerseite der Promenade nicht zugelassen waren. Er kam, weil er sich weigerte, die Bußgelder zu zahlen, für zwei Wochen ins Gefängnis.
Dort stellte er die Infos und Fakten seiner Flugblätter zur ersten Fassung des Buchs zusammen, das seitdem in vielen erweiterten und in alle Weltsprachen übersetzten Ausgaben als "Hanfbibel"gilt und Jack Herer in seinem Heimatland zum "Emperor Of Hemp" und Held der Alternativbewegung machte.
Ein Weg, der dem 1939 in New York geborenen Sohn polnisch-jüdischer Einwanderer nicht vorgezeichnet war, denn in den 60ern, als die Hippies Love, Drugs & Peace feierten, war Jack Herer noch als Vertreter für Leuchtreklamen in Nyltesthemd und Polyesteranzug unterwegs und wählte den rechten Barry Goldwater. Als seine erste Ehefrau ihm erzählte, Marihuana geraucht zu haben, wollte er sie anzeigen: "Ich glaubte all den Bullshit über Drogen, den sie mir in der Army erzählt hatten."
Als die zweite Ehefrau dann "Acapulco Gold" mitbrachte, ließ er sich überreden ("Ich wollte nicht, dass sie mir auch noch wegläuft.") und setzte nach dem Rauchen die Kopfhörer mit seiner Lieblingsmusik auf. Danach war es um den strammen Republikaner geschehen und der all american boy Jack Herer wurde zum Freiheitskämpfer der Gegenkultur, zu einer One Man Army für die Rehabilitierung des Hanfs.
Er war einer der "Väter" der 1996 per Volksabstimmung durchgesetzten Wiederzulassung von "Medical Marihuana" in Kalifornien, die mittlerweile 14 US-Bundeststaaten nachvollzogen haben, und noch in seiner letzten Rede kritisierte er das im November 2010 zur Abstimmung stehende "Tax Cannabis"-Gesetz, das den Kosum für alle über 21-jährigen legalisieren, den Anbau aber unter Kontrolle der Kommunen stellen und besteuern will.
Für solche politischen Kompromisse war Jack Herer nicht zu haben: Medizin hat steuerfrei zu bleiben und der Anbau muß jedermann landesweit gestattet sein. Sowie die Amnestie und Entschädigung für alle wegen nichts anderem als "der Nr. 1 der Nutz,-und Heilpflanzen auf diesem Planeten" Inhaftierten und Verfolgten.
Diese Forderung kann als das Vermächtnis Jack Herers gelten, denn wir können sicher sein, dass er seinem feurigen Eifer und der scharfen Eloquenz zu Lebzeiten erst dann eine Ruhepause gegönnt hätte, wenn auch sie restlos erfüllt worden wäre. Höchste Zeit ist es allemal...
Jack Herer, Mathias Bröckers (Hrsg.): "Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf", 40. Auflage, Nachtschattenverlag, 2008
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