piwik no script img

Handyüberwachung DresdenDatenspur auf der Autobahn

Erst die Handydaten, dann Details über Demonstranten: Sachsens Innenminister Ulbig hält die verdachtsunabhängige Massenerhebung unter Busunternehmen für völlig unbedenklich.

Verdachtsunabhängige Massenerhebung: Der Sächsische Innenminister will von Busunternehmen umfangreiche Antworten. Bild: dapd

BERLIN taz | Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat einen weiteren Fall einer umstrittenen Massenermittlung zum Demonstrationsgeschehen in Dresden offiziell bestätigt. Demnach hat die derzeit in der Kritik stehende polizeiliche Sonderkomission 19/2 nach den Demonstrationen von Dresden sämtliche Busunternehmen, die am 19. Februar Personen zum Demonstrationsgeschehen in Dresden befördert hatten, mit einem umfangreichen Fragebogen zu weitgehenden Auskünften über Demonstrationsteilnehmer aufgefordert.

Das bestätigte Ulbig nun in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des sächsischen Landtagsabgeordneten Klaus Bartl (Linksfraktion). Mit dem Schreiben waren zahlreiche Unternehmen im Mai aufgefordert worden, konkrete Daten zu den Vetragsverhältnissen, zu Abfahrtsorten und Streckenführung, zu eingelegten Pausen sowie zu den beförderten Personengruppen zu übermitteln. Auch wurden die Unternehmen aufgefordert, Angaben zu Stangen, Fahnen und Transparenten zu machen, die ihre Gäste im Gepäck hatten.

Am 19. Februar hatten in Dresden Tausende aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum gegen einen Aufzug von Neonazis demonstriert.

Einige der Unternehmen lieferten durchaus freizügig die angefragten Informationen. So übermittelte etwa die Rheinland Touristik aus Köln nach eigenen Angaben die komplette GPS-Auswertung des Reiseverlaufs sowie weitere Details an die Polizei. Andere Busunternehmen sehen sich von dem Schreiben dagegen unter Druck gesetzt.

Jochen Pankoke, Geschäftsführer des Kölner Reiseunternehmens Auf Extratour Reisen sagte der taz: "Dass gezielt Busunternehmen in solchem Umfang in Ermittlungen eingebunden werden, ist uns völlig neu und hat eine für uns ungekannte Dimension." Das Schreiben lasse unklar, ob die angeschrieben Busfahrer als Zeugen oder Beschuldigte befragt würden. Viele seiner Kollegen würden sich daher gut überlegen, ob sie noch einmal zu einer solchen Großdemonstration fahren würden.

Der sächsische Abgeordnete Klaus Bartl sieht in der "flächendeckenden und in rasterfahnnungsmäßiger Weise" durchgeführten Befragung einen "Bedrohungs- und Ausforschungseffekt", der künftig Menschen von der Teilnahme an Demonstrationen abhalten könne. Sachsens Innenminister Ulbig hält die Maßnahme dagegen vom "Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens" gedeckt, wie es in der Antwort heißt: "Die Übermittlung dieser Daten an öffentliche Stellen und deren Nutzung ist zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten zulässig und im vorliegenden Fall auch erforderlich."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • D
    Dorjan

    ...und die grössten Idioten, "Altbundesdeutschen" und Heuchler behaupten die DDR war ein Überwachungsstaat...!!!

  • SH
    Schnüffel hie' und scnüffel da ... tirallalla-la

    Sachsen einig Schnüffelland.

    Ich bin selber nicht aus Sachsen, bin jedoch bei Zufahrten (in Regionalzügen) in Sachsen Zeugin geworden, wie ausforschungs-tüchtig sich Bahnmitarbeiter (Zugbegleiter, Bahnsteigpersonal, ja selbst Lokführer) gegenüber Menschen, die eben aus dem Ausland waren, gebärdet haben. Schlimmer ging's nimmer.

    Der Kasernenhofton und das überaus große Misstrauen gegenüber Menschen aus dem Ausland ließ mich erschaudern.

    Ich mischte mich in Gespräche ein, um den Betroffenen zu helfen und wurde noch selber von Bahnmitarbeitern (nicht etwa einer Privatbahn, nein, von der DB AG) angemacht.

    Sachsen scheinen gut untertänig sein zu können, die Regierung leitet das stasi-hafte Ausschnüffeln von jedem Menschen, der sich in Sachsen aufhält ein und die Eisenbahnbetriebe jagen Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind und hier sich ein neues Leben aufbauen.

    Es gibt also offensichtlich noch Bahnmitarbeiter, hier vornehmlich in Sachsen, die aus der Vergangenheit von 1939 bis 1945 nicht viel oder gar nichts gelernt zu haben scheinen.

  • H
    hann0s

    Die interessante Frage für micht ist hierbei, ab wann ich mir ernsthaft konkrete Gedanken übers Auswandern machen sollte. Nicht, das ich den Sozialstaat nicht schätze, die tolle Infrastruktur und die großartige Freiheit, aber das wird doch sowieso alles abgeschafft und/oder privatisiert. Und da wander ich lieber in Halbdikaturen die sich zum besseren Wandeln wie Südamerika aus als in einer Demokratie zu bleiben die sich in eine Halbdiktatur entwickelt, unter dem gejohle von 4 der 5 Parteien im Parlament